Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Rock am Fichtenwald: Rockig, rotzig, riesengroß

Veröffentlicht in: Kultur, Rezensionen

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1000 Metaller hörten die „Krähen“ und End Of Green

 

Von elektronischem Bombast unterfütterter Dampfhammer-Rock hat beim Vöhringer R.A.F.-Festival das Publikum zum „Pogen“ gebracht. Stone The Crow aus Schwäbisch Hall langten am Freitag als Headliner hin und rissen die mähnige Meute mit. End Of Green, Y Not und Societys Pet hatten ihnen die Bühne bereitet.

Der glasklare Blick verrät es: Marc Zin, Sänger von Stone The Crow, hat beim Rock am Fichtenwald kein Bier auf der Bühne getrunken, sondern Wasser – und seine Musiker taten’s ihm gleich. Von Vöhringen aus düsten die „Krähen“ nach Hamburg zum nächsten Gig. Saufen sitzt bei dem Stress nicht drin. Bild: A. Ellinger

Der glasklare Blick verrät es: Marc Zin, Sänger von Stone The Crow, hat beim Rock am Fichtenwald kein Bier auf der Bühne getrunken, sondern Wasser – und seine Musiker taten’s ihm gleich. Von Vöhringen aus düsten die „Krähen“ nach Hamburg, wo sie tags darauf ihren nächsten Gig hatten. Saufen sitzt bei dem Stress nicht drin.
Bild: A. Ellinger

Vöhringen. Wechselweise stampfend, peitschend, treibend, zischend und blubbernd holten die Krähen das Maximale aus der 10.000-Watt-Anlage. Einige Duzend von mehr als 1000 Fans sprangen vor Begeisterung im Viereck. Wer sich in das Getümmel vor der Bühne stürzte, fühlte sich buchstäblich hin- und hergerissen, erlebte Momente zwischen bangen und bängen. Sänger Marc Zin trat im schwarzen Kapuzen-Mantel, mit teuflisch rot unterlaufenen Augen und bleichem Gesicht gleich einer „Leiche in concert“ vors Volk. Tom setzte mit seinem buschkämpferähnlich bemalten Basser-Body optische Akzente.

Gitarre und Bass ließen „live“ die elektro-synthetischen Sound-Spritzen nicht so stark wirken, wie auf CD und das klang gut so. Rhythmischer Sprengstoff explodierte unmittelbar — die „Krähen“ gingen hüpfender Weise in die Luft. Im fliegenden Gitarren-Wechsel gestalteten sie ihr Programm. Eine ambitionierte Band, die mit Viva-Clip und Konzert-Marathon auf dem Vormarsch ist. Am Freitag spielten die Schwäbisch-Haller in Vöhringen, am Samstag in Hamburg.

End Of Green müsste der Weg in die Musiksender längst geebnet sein. Die Kapelle gilt seit Jahren als Geheimtip, sie spielt die Zuhörer um ihren Verstand. Sänger Mike Huburn zelebriert musikalische Depression zum Genießen — schleppend und düster. Mit meist zusammengekniffen Augen steht er am Mikro, presst Verzweiflung und Aggression aus dem Kehlkopf, wie es seit Kurt Cobain kaum einer mehr vermag. Der charismatische Frontmann mit Sturmfrisur kann einen erdigen Bass singen, der den Crashtest der gleichnamigen Dummies ohne einen Stimmband-Kratzer besteht. Weiß der Henker, warum die Ludwigsburger nach Vöhringen gehen und nicht in SWR 3 laufen. Der volle Sound ihrer drei Gitarren und einem Bass ist — da normaler Weise astrein inszeniert — fast nicht zu toppen. Ein Jammer, dass die Band beim R.A.F. schon als zweite ran musste und nicht Vollgas geben konnte, weil die Anlage leicht übersteuerte.

Co-Headliner Y Not besetzte die Nische zwischen Metal und Crossover. Das donnernde Schlagzeug, der betonte Bass und die kompromisslosen Gitarrenläufe bescherten dem Fichtenwald-Rockern einige Nackenbrecher. In diesem Jahr brachte das Quartett und R.A.F-Urgestein aus Oberndorf eine Nachwuchsband mit — Societys Pet. Deren rotzige Mischung aus Grunge, Punk und anderen Einflüssen zeichnete sich durch ein dominantes Saxophon aus. Ja, richtig gelesen: Saxophon. Alex Nägele setzte das genre-untypische Blechblasin-strument klasse in Szene. Darauf lässt es sich aufbauen.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Sulzer Chronik

Montag

10

September 2001

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Sulz