Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Luxusgut BMW kontra Luxusgut Katze

Veröffentlicht in: Features, Gesellschaft

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Wenn alle Autobesitzer, die Katzenspuren auf ihrem Heiligsblechle vorfinden, gegen die Katzenbesitzer klagen würden, dann gäbe es wahrscheinlich bald keine Katzenhaltung mehr – zumindest keine mit Auslauf, die als artgerecht gilt. Denn juristisch ist es angesichts der besitzstandswahrenden Gesetze in der Bundesrepublik so, dass der Eigentümer des „Luxusgutes“ Katze verhindern muss, dass sein tierisches Luxusgut das Luxusgut Auto eines anderen verunreinigt oder sogar beschädigt.

In einem Horber Nachbarschafts-Streit dieser Art wird es voraussichtlich nicht zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen. Das vorläufige Ende des Konflikts: Ein zwölfjähriges Mädchen musste sein geliebtes Haustier hergeben und ein Auto-Besitzer fühlt sich in der Nachbarschaft als Katzen-Hasser verunglimpft. Dabei sei er, so der Mann mit dem Heiligsblechle, ein ausgesprochener Tierliebhaber, obendrein Mitglied im Tierschutzverein und Spender der Naturschutz-Organisation World Wide Fund (WWF).

Aber der Reihe nach: Es geht um einen dunklen BMW, neu gekauft, 20 000 Euro teuer und vor allem mit „Flossen-Antenne“. Der Autofahrer wundert sich, „warum Katzen dieses Ding so geil finden“ – und es sich in den Hintern schieben. Das animalische Stöhnen, so vermutet er, locke andere Katzen an – und gegen jene habe die befriedigte Katze das Auto verteidigt, was außer den Pfoten-Abdrücken Kratz-Spuren auf dem Lack verursacht habe. Das Waschen und Polieren wurde dem Mann auf die Dauer zu teuer. „Ich bin in der Waschanlage schon Stammkunde geworden.“ Also besorgte er sich eine Nachtsicht-Kamera, um den tierischen Übeltäter zu überführen: eine schwarz-weiße Katze. Den Schuldigen unter zwei Verdächtigen in der Nachbarschaft hatte er schnell ausfindig gemacht; er sprach die Besitzer-Familie an – in der Hoffnung, wie er sagte, dass gemeinsam ein Duftspray recherchiert und organisiert werde, dass die Katzen abhält.

Die Katzen-Besitzer reagierten, indem sie ihre zwei Tiere nachts im Haus einsperrten und erst morgens herausließen. Doch eine der Katzen nutzte offenbar die Spätschicht des BMW-Fahrers… Daraufhin schenkten die Katzen-Besitzer ein Spray – mit einem Duft, der die Tiere fernhalten sollte.

Ein Spray war dem Autohalter jedoch zu wenig, da er insgesamt deren 17 gekauft ausprobiert hat. By the way: Er schwört inzwischen auf „Felitude“, das beim Tierarzt erhältlich sei – es wirke gegen Katzen und Marder gleichermaßen, erzählt er. Dass die Katze weggesperrt oder weggegeben werde, habe er übrigens nicht gewollt, betont der Mann. Aber die Lauf-, Kratz- und Sperma-Spuren auf seinem Lack wollte er genauso wenig. Und weil er trotz weggesperrter Katzen und eines geschenkten Sprays das Verhalten der Nachbarn immer noch als „unkooperativ“ empfand, drohte er mit dem Rechtsanwalt. Zudem habe er mit anderen Nachbarn, die sich über die Katze geärgert hätten, auf einer Unterschriftenliste unterschrieben. Seiner Meinung nach könnte er von den Katzen-Besitzern sogar die Kosten für die Nachtsicht-Kamera einklagen, was er nicht getan habe – ganz zu schweigen von den 300 Euro Reinigungskosten und den 250 Euro für die Katzen-Sprays.

Was sagt ein Zivilrichter dazu? Jens Müller-Fenge vom Amtsgericht Freudenstadt sagt zunächst einmal, dass er keine Rechtsberatung machen darf. Er formuliert aber die zentrale Frage des sozialen Konflikts: „Ist die Lebensweise von Katzen wertvoller als ein Auto?“ Juristisch betrachtet stehe „Luxusgut“ gegen „Luxusgut“ und es gehe um den Schutz dieser Luxusgüter, des Eigentums. Angesichts dieser Abstraktion stellt sich auch die Frage, ob ein solcher Konflikt überhaupt per Gerichts-Entscheid gelöst werden sollte…?

Eine andere Sichtweise des Konflikts vermittelt Jens Müller-Fenge mit einem Vergleich: „Wenn jemand einen Löwen hält, dann muss der Besitzer dafür sorgen, dass die Nachbarn nicht durch das Gebrüll gestört werden.“

Der Richter kennt übrigens den Ärger mit den Katzenspuren auf dem Auto – von seinem eigenen nämlich. Allerdings seien das auch die Spuren seiner eigenen Katze… Das entschärft die Situation ungemein: Jens Müller-Fenge hat noch keine Klage gegen sich eingereicht.

Zurück zum Horber Fall: Nachdem sich die Mutter der eigentlichen Katzenbesitzerin im Internet nach vergleichbaren Rechtsstreitigkeiten und entsprechenden Urteilen umgeschaut hatte und obendrein des Konflikts überdrüssig war, eröffnete sie ihrer Tochter, dass die Katzen abgegeben werden. Das schien die einfachste Lösung zu sein. Eine Garage wollten die Eltern dem Nachbarn nicht bezahlen und der Nachbar wollte keine Plane über den BMW stülpen. Das Mädchen weinte – doch es half nichts: Die Tiere kamen weg.

Das ist nun ein paar Tage her und inzwischen kam es offenbar sogar zu Handgreiflichkeiten zwischen dem Auto-Besitzer und einem anderen Katzenhalter in der Nachbarschaft. Die Frage, von wem der Streit ausging, lässt sich an dieser Stelle nicht klären.

Immerhin traut sich inzwischen scheinbar keine Katze mehr auf das Auto, obwohl der BMW-Fahrer mit Nachfolge-Tätern gerechnet hat…

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Donnerstag

18

Mai 2006

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb