Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Karitative Bruderschaft?

Veröffentlicht in: Gesellschaft, Glossen

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Das Mittelzentrum Horb bekommt großstädtisches Flair. Architektonisch tragen Einkaufstempel dazu bei – den passenden „Lifestyle“ tragen Gruppierungen wie die „Black Jackets“ oder die „Outlaws“ in die „City“.

Die Black Jackets waren die ersten, die glaubten, auf den Straßen Horbs ihre Vorherrschaft reklamieren zu müssen. Sie sind eine Mischung aus Gang und „Motorrad-Club ohne Motorräder“ mit vereinsmäßigem Touch. Denn die Schwarzjacken hatten als Bruderschafts-Verein sogar eine Jugendabteilung: die „United People“.

Deren „Führer“ – so hat sich Tamer Yazar in der SÜDWEST PRESSE-Redaktion vorgestellt – wollte am Donnerstag „die Wahrheit über die Black Jackets“ verkünden (siehe nebenstehenden Bericht). Er berichtete von der Hausaufgabenbetreuung im (ehemaligen) Clubhaus an der Bildechinger Steige und von einem Besuch in der Horber Hauptschule, wo die Black Jackets angeblich die „Pink Jackets“ zur Räson bringen wollten. Pink Jackets? Angeblich waren das Mädels, die auch ein bisschen „Jackets“ sein wollten und sich von Jungs die Schuhe küssen ließen. Diesem Spuk wollten die selbst ernannten Ordnungshüter von den Black Jackets Einhalt gebieten…

Die „Schulsozialarbeiter“ in schwarzen Bomberjacken hatten sogar einen Lehrer. Als solcher wurde ihr Präsident im Internet bezeichnet. Er habe „vom Knastleben berichtet“ und „aus seiner schlechten Vergangenheit“ erzählt, berichtet Tamer Yazar – und da gab es einiges: Menschenhandel, Körperverletzung und Zuhälterei.

Der Präsident wollte seine Club-Mitglieder und die, die es werden wollten, offenbar mit seinem abschreckenden Beispiel auf den rechten Weg bringen. Der Erfolg der Lektion: Die „Schüler“ sind auf freiem Fuß – nur der Lehrer ist wieder ins Gefängnis eingefahren…

Wer Tamer Yazar knapp zwei Stunden lang zuhört, bekommt den Eindruck, dass die „Black Jackets“ ein karitativer Verein sind, der viel Gutes tut und nicht darüber reden will – sich aber doch ärgert, wenn die guten Taten nicht in der Zeitung stehen. Und wenn‘s irgendwo eine Schlägerei gibt, bei der angeblich Black Jackets dabei waren, dann… – dann sind das gar keine Black Jackets, sondern die Täter haben‘s nur behauptet. Auch bezüglich des landesweit bekannten Black-Jackets-Übergriffs in Esslingen vermutet Yazar, dass es vielleicht gar keine Schwarzjacken waren. Aber wer will das nachprüfen? Auch Yazar hat keinen Club-Ausweis auf den Tisch gelegt…

Vier Jahre hätten die Black Jackets in Horb einen solchen Respekt gehabt, dass sich manche Kneipe sofort geleert habe, die sie betreten hätten, erzählt Tamer Yazar. Und für die Zukunft fürchtet er, dass das Horber Anwärter-Chapter des Motorrad-Clubs „Outlaws“ mehr „Respekt“ in der Stadt haben könnte als seine Bruderschaft, die inzwischen nicht mehr „Black Jackets“ heißt. Respekt? Es geht wohl eher um Angst…

Wenn Motorrad-Rocker und Gangs in Großstädten um die Vormachtstellung kämpfen, dann ist die Vormachtstellung kein Selbstzweck. Es geht beispielsweise ums Rotlicht-Milieu oder um den Drogen-Handel – also um Geld. Worum wird also in Horb gekämpft? Laut Yazar geht es wirklich nur um Respekt – und keinesfalls um Drogen oder Prostituierte. Zu seinem Ärger sind Black-Jacket-Freundinnen, die das Clubhaus betreten haben, von Passanten teilweise für Nutten gehalten worden. Und die Luxus-Limousinen, die dort parkten, seien keine Zuhälter-Autos, sondern praktiziertes Car-Sharing gewesen: Wenn 30 Black Jackets je 10 Euro zahlen, kann für einen Tag eine Luxus-Limousine gemietet werden, mit der die Geldgeber gruppenweise Runden drehen können. Das ist Freundschaft.

Das journalistische Fazit nach einem Gespräch, in dem auf viele Fragen zwei Antworten gegeben wurden – nämlich widersprüchliche – lautet wie der Titel des ersten Buches von Tamer Yazar, der sich als Autor versucht: „Manchmal kann die Neugier zum Alptraum werden.“

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Samstag

31

Oktober 2009

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb