Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Rosen statt Hanf-Pflanzen

Veröffentlicht in: Features, Justiz

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Rund 200 Euro hat ein junger Mann aus dem Raum Horb in eine Wohnungs-Plantage für den Cannabis-Anbau investiert – jetzt muss er noch 300 Euro drauflegen. Dazu hat ihn das Amtsgericht Horb gestern verurteilt. Und sein „Plantagenhelfer“ muss 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Ansonsten kamen die beiden Heranwachsenden, auf die das Jugendstrafrecht angewendet wurde, mit Verwarnungen davon.

Das Pech bei der Hanf-Aufzucht stellte sich vor Gericht als Glück heraus. Richter Wolfgang Heuer: „Das Gutachten bestätigt, dass Ihr Dilettanten ward.“ Nicht nur, dass sieben von zehn Pflanzen trotz Dünger, Beleuchtung, Gießwasser- Erwärmung und Co. eingegangen waren… – das übrige „Gras“ wies nur einen THC-Gehalt von 0,9 Prozent auf. THC steht für Tetrahydrocannabinol. Das ist der Wirkstoff des Hanfs, der auf das Zentralnervensystem wirkt und die Pflanze zur Droge macht. Zum Vergleich: Unter Kiffern gilt Stoff mit einem THC-Gehalt von 15 Prozent offenbar als hochwertig, mit 5 Prozent als qualitativ schlecht. Der Richter folgerte: „Was Ihr hattet, ist Schrott.“ In der Folge waren die 192 Gramm, die polizeilich registriert wurden, „eine geringe Menge“. Eine bessere Qualität hätte sich strafverschärfend ausgewirkt.

Aufgeflogen ist der Cannabis- Anbau, weil in die Plantagen-Wohnung eingebrochen wurde – wohl, weil die Hobby-Gärtner anderen von ihren Plänen erzählt hatten. Das war ein Hinweis darauf, dass sie mit dem Stoff auch dealen (handeln) wollten. Nur um die Kosten hereinzuholen, beteuerten die beiden Angeklagten, nachdem sie zuerst behauptet hatten, nur für den Eigenbedarf produziert zu haben. Der Richter erklärte ihnen: „Da wird die böse Absicht schon bestraft.“ Und: „Selbst kostenloses Rauschgift zur Verfügung zu haben, ist auch ein Gewinn.“

Beide jungen Männer haben alle Punkte der Anklageschrift gestanden – inklusive des mehrmaligen Kaufs von Marihuana. Schon bei der Polizei waren sie kooperativ. Dank ihrer Hilfe konnte ein Drogen-Dealer zumindest in erster Instanz verurteilt werden – er hat Rechtsmittel eingelegt. Gegen einen weiteren laufen Ermittlungen.

Über die Polizei-Arbeit war Richter Wolfgang Heuer voll des Lobs. Dem Hauptkommissar des Horber Reviers, der als Zeuge auftrat, sagte er: „Sauber ermittelt! Gute Vernehmungen – da ist alles drin.“

Nach eigenen Angaben sind die jungen Männer vom Marihuana- Konsum losgekommen. Während der eine dem Gericht einen positiven Lebenswandel mit Ausbildung, eigener Wohnung und Freundin glaubhaft darstellen konnte, hatte der andere nur Absichts-Erklärungen parat. In ein paar Monaten beginne er bei seinem Onkel eine Ausbildung. Seit einem Jahr hat er allerdings gar nichts gemacht und nur auf Kosten des Vaters gelebt.

Die Angeklagten kamen aus Scheidungsfamilien. Der eine hatte unter einem alkoholkranken und gewalttätigen Stiefvater zu leiden. Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe hat empfohlen, das Jugendstrafrecht anzuwenden – die Tat habe „einen jugendtypischen Ursprung“ gehabt. Die beiden hatten sich mittels Video-Clips im Internet über den Hanf-Anbau informiert: „Sieht einfach aus, haben wir gedacht. Wir sind ja dann aber auf die Schnauze gefallen.“

Bei den Tätern dürfte die gestrige Verhandlung einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben: Der eine musste sich vom Richter sagen lassen, dass er seit dem Realschul- Abschluss gar nichts auf die Reihe bekommen habe und momentan nur für Hilfsarbeiten tauge. Der andere musste sich angesichts der Beweisfotos aus seiner Wohnung einiges anhören. Richter: „Sieht unaufgeräumt aus.“ Angeklagter: „Das war ja nach dem Einbruch…“ Richter (wohl mit Blick auf ungespültes Geschirr): „Hat der bei Ihnen auch gegessen?“ Angeklagter: „Nein, das war ich.“ Richter (beim Anblick der Pflanztöpfe): „Das sieht ja eher aus wie auf einem Kartoffelacker.“ […] Angeklagter: „Hätte ich damals nur in Rosen für meine Freundin investiert…!“

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horb

Mittwoch

12

Mai 2010

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb