Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Ex-Geschäftsführer gestehen Betrug

Veröffentlicht in: Berichte, Justiz

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Schwarzarbeit in Dornstetter Haisch-Gruppe: Schadenshöhe lag bei mindestens einer halben Million Euro

 

Das geht den gemeinnützigen Organisationen im Landkreis Freudenstadt runter wie Öl: Führungskräfte der Dornstetter Haisch-Gruppe überweisen ihnen 142.500 Euro. Spenden-Bescheinigungen gibt es für die gerichtlichen Geldauflagen allerdings nicht.

Horb. Das Schöffengericht am Horber Amtsgericht kann sich nach seinem Urteil am Dienstag als Förderverein eintragen lassen: Die bisherigen Geschäftsführer der Dornstetter Haisch-Gruppe, Karl- Heinz Haisch und Friedrich Frey, müssen 80.000 und 50.000 Euro Geldstrafe bezahlen, zwei ihrer Tankstellen-Betriebsleiter jeweils 5000 Euro und eine Angestellte aus der Lohnbuchhaltung 2500 Euro.

Das Angeklagten-Quintett hatte sich wegen „Lohn-Splittings“ zu verantworten. Überstunden von geringfügig Beschäftigten (400-Euro- Jobber) waren auf Namen von andern Mitarbeitern oder von Verwandten, Freunden und Bekannten abgerechnet worden, um Sozialabgaben und Steuern zu sparen. Im Volksmund: Schwarzarbeit.

Die Geschäftsführer haben den Betrug in 76 Fällen sowie das Vorenthalten beziehungsweise Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 598 Fällen gestanden. Eine Angestellte aus der Buchhaltung gab die Beihilfe zu diesen Vergehen zu. Insgesamt 278 dieser Fälle waren im Verantwortungsbereich des einen angeklagten Betriebsleiters, 159 Fälle im Tätigkeitsbereich des anderen. Den Sozialversicherungen ist dadurch ein Schaden von 509.084,56 Euro entstanden, den die Firmen-Gruppe aus der Mineralöl- und Baumarkt-Branche inzwischen beglichen hat – auch die damit zusammenhängenden Steuer-Nachzahlungen sind getätigt.

Angeklagt waren nur Fälle ab dem 1. Juni 2003 – nach älteren Fällen hat der Zoll schon gar nicht mehr gefahndet, weil sie zum Zeitpunkt der Razzia bei Haisch bereits verjährt gewesen wären. Je nachdem, ob und wie lange das Lohn- Splitting vor dem 1. Juni 2003 betrieben wurde, könnte es sich für die Firmen-Gruppe gelohnt haben – trotz der Nachzahlungen für die Jahre 2003 bis 2008 und der Geldstrafen für die Verantwortlichen.

Amtsgerichts-Direktor Wolfgang Heuer sagte: „Die Angeklagten haben ein ausgeklügeltes, gesetzeswidriges System unterhalten.“

Friedrich Frey, der die Geschäftsführung Ende Mai abgegeben hat, betonte in seinem „letzten Wort“ vor dem Urteil: „Wir haben erkannt, dass nachhaltiger Erfolg nur auf gesetzlicher Basis zu erzielen ist.“ Um Straftaten künftig zu vermeiden, sei seit 2008 eine Organisations- und Überwachungs-Struktur aufgebaut worden. Karl-Heinz Haisch verzichtete auf ein „letztes Wort“ – von ihm kam nicht einmal ein Wort des Bedauerns.

Grundlegend anders verhielt sich einer der Betriebsleiter: „Ich war schockiert, welcher Schaden entstanden ist.“ Das Gericht würdigte es strafmildernd, dass dieser Angeklagte „als einziger zu einem relativ frühen Zeitpunkt ein Generalgeständnis abgelegt hat“. Das habe „die Ermittlungen gefördert und erleichtert – und die anderen Beteiligten in Zugzwang gebracht“. Dieser Betriebsleiter verbrachte die Verhandlungspausen teilweise relativ einsam… Er bereute es „zutiefst“, dass er wegen des Lohn- Splittings nicht bei der Geschäftsführung vorstellig geworden ist. Aber er habe nicht gewusst, welche Konsequenzen das für die 400-Euro-Jobber haben könne.

Rund 80 von ihnen erlebten in der Weihnachtszeit eine besondere Bescherung. Sie erhielten Strafbefehle, teils über mehrere tausend Euro. Manche legten Widerspruch ein, so dass Richter Heuer sie in einer Verhandlung kennenlernte. Viele würden am Existenzminimum leben und seien dringend auf den Job bei Haisch angewiesen, berichtete er. „Ihnen war klar, dass sie gar nichts haben, wenn sie nicht mitmachen“ – beim Lohn-Splitting. Heuer sprach von einer „dominierenden Firmen-Herrschaft über die Betroffenen“. Einige würden immer noch bei Haisch arbeiten. „Sie haben dichtgehalten, weil man das so verlangt hat.“

Dem Richter kamen zudem die Stundenlöhne niedrig vor. 7,30 Euro habe es für Tankstellen-Jobs gegeben, 9,20 Euro für die Fahrer von Gefahrgut-Transportern. Laut Frey-Verteidiger Claus Unger hat es sich dabei um eine Win-Win-Situation gehandelt. Die Stundenlöhne würden bei geringfügig Beschäftigten schließlich brutto für netto ausbezahlt – wer mit einem normalen Arbeitsvertrag bei Haisch beschäftigt sei, habe netto auch nicht mehr pro Stunde.

Diese Darstellung ärgerte den Amtsgerichts-Direktor. „Die Arbeitnehmer hatten Anspruch auf einen Arbeitsplatz, der sie nicht zu Straftätern macht.“ Wären sie korrekt, also nicht geringfügig beschäftigt worden, hätten sie netto ungefähr gleichviel verdient – ohne dass sie Geldstrafen riskiert hätten. Richter Heuer kritisierte „die Grundhaltung von Straftätern wie Herrn Haisch und Herrn Frey“, nach der es in Ordnung sei, „dass Arbeitnehmer zu Straftätern werden, um den Lohn zu bekommen, der ihnen zusteht“. Was die Geldstrafen für die 400-Euro-Jobber und die Führungskräfte betrifft, so merkte der Richter an: „Wir können nicht behaupten, dass wir die Herren Haisch und Frey so wie die kleinen Arbeitnehmer treffen.“ Beide gaben an, in „geordneten Verhältnisse“ zu leben. Wie viel sie bis vor kurzem als Geschäftsführer verdient haben, blieb unbekannt.

Das Schöffengericht verurteilte die fünf Angeklagten zu Freiheitsstrafen auf Bewährung: Frey zu 1 Jahr und 9 Monaten, Haisch zu 1 Jahr und 3 Monaten, die Betriebsleiter zu 11 und 12 Monaten sowie die Buchhalterin zu 7 Monaten.

 

Gerichtlicher Geldsegen: 142 500 Euro für gemeinnützige Organisationen

Karl-Heinz Haisch, der bis Ende Mai 2011 Geschäftsführer der Dornstetter Haisch-Gruppe war, lässt in gerichtlichem Auftrag folgenden gemeinnützigen Organisationen Geld zukommen: Bewährungshilfeverein Rottweil (10 000 Euro), Kreisverkehrswacht Freudenstadt (10 000), Suchtberatungsstelle des Diakonischen Werks Freudenstadt (10 000), Marmorwerk Horb (5000), Verein Sterntaler Horb (5000), Förderverein für krebskranke Kinder Tübingen (10 000), DRK Horb-Mitte (10 000), DRK Mühringen (5000), Caritas Horb (5000), Schwangerschaftsberatung Donum Vitae (5000) und Tierschutzverein Horb (5000). Sein Geschäftsführer-Kollege Friedrich Frey zahlt an die Spitalstiftung Horb, an das Lebenszentrum Feldsonne, an die Frauenhilfe Freudenstadt und an das Kinderheim Rodt jeweils 5000 bis 10 000 Euro sowie an die Stiftung Eigensinn Freudenstadt 20 000 Euro. Zwei Betriebsleiter lassen den DRK-Ortsvereinen Talheim und Empfingen jeweils 5000 Euro zukommen. Eine Haisch-Angestellte bedenkt den Jugend- und Kulturverein Empfingen mit 2500 Euro. Sämtliche Summen sind bereits auf Treuhandkonten von Rechtsanwälten überwiesen worden, so dass sie nur noch weitergeleitet werden müssen. Die Geldauflagen beruhen auf einer strafprozessualen Absprache aller Beteiligten. Dennoch könnten theoretisch Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden.

 

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Mittwoch

8

Juni 2011

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb