Jahrelang haben die Horber nicht genutzt…
Veröffentlicht in: Berichte, Gesundheit
…was in der Hospital-Chirurgie gar nicht angeboten wurde / Welche Aussagekraft hat die Statistik von KLF-Chef Peter Mast?
Nur jeden zweiten Tag ein chirurgischer Patient zwischen 20 und 60 Jahren in Horb – unter anderem mit dieser Zahl aus dem Jahr 2008 wollte Kreiskrankenhaus-Geschäftsführer Peter Mast bei einer Bürger-Informationsversammlung begründen, warum das Hospital „seit vier Jahren hochdefizitär ist“ – weil „die Leute seit 2008 nicht mehr gekommen sind“. Dr. Adolf Megnin, Vorsitzender des Vereins „Ärzte-Netz Kreis Freudenstadt“ äußerte anschließend den Eindruck, dass „Horber für ihr Krankenhaus kämpfen, aber nicht hingehen“.
Freudenstadt/Horb. Die Horber Chirurgie-Statistik von Peter Mast weist für das Jahr 2008 die Zahl 378 auf. Warum er für seine Präsentation am Mittwoch in Freudenstadt die Zahl 157 in den Patienten-Altersklassen von 20 bis 60 Jahren herausgepickt hat, um zu sagen, dass nur jeden zweiten Tag jemand aus dieser Altersklasse komme…? Fakt ist, dass im Jahr 2008 auch 66 Kinder und Jugendliche bis 20 Jahre gezählt wurden und 155 Bürger zwischen 60 und 90 Jahren.
Im Jahr 2009 belief sich die Gesamtzahl auf 222, 2010 auf 202 und 2011 auf 80 – inzwischen hatte der Umbau des Hospitals begonnen, so dass die Operationssäle außer Betrieb waren. Deshalb ließ Mast die Zahlen ab 2010 unerwähnt – sprach dann aber trotzdem von „vier“ hochdefizitären Jahren.
Was sagen diese Zahlen aus, handelt es sich um Sprechstunden-Gespräche, um ambulante oder um stationäre Operationen? „Dies sind die stationären Fälle aus dem Hospital aus dem Bereich der Chirurgie“, antwortet Susanne Brand aus dem Management-Bereich „Unternehmensentwicklung“ der Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH (KLF).
Die SÜDWEST PRESSE hatte darüber hinaus folgende Fragen an Peter Mast, die – was die Aussagekraft seiner Statistik betrifft – eine Rolle spielen: „In welchem Umfang war die Hospital-Chirurgie in dem von Ihnen statistisch untersuchten Zeitraum operationsfähig? (Unter „operationsfähig“ verstehe ich unter anderem, dass ein Chirurg Dienst hat, der gesundheitlich in der Lage ist, Operationen zu realisieren; der Anästhesie-Arzt nicht ausfällt, weil er im Notarzt-Dienst eingeteilt ist; und ein OP-Team zur Verfügung steht.) An wievielen Tagen war die Operationsbereitschaft gegeben? Über wieviele Stunden war die Operationsbereitschaft pro Tag gegeben? Mit welcher Regelmäßigkeit beziehungsweise in welchem Rhythmus war die Operationsbereitschaft gegeben (feste Tageszeiten, bestimmte Wochentage,…)? An wievielen Tagen war das Hospital in der Lage, Betriebsunfälle aufzunehmen, die eine Operation erforderlich machen? Wurden in den von Ihnen statistisch untersuchten Jahren die niedergelassenen Ärzte im Raum Horb darüber informiert, wann und in welchem Umfang chirurgische Leistungen im Horber Hospital angeboten werden? Falls Ja: Wie erfolgte diese Information? Wurden die Bürger, also die möglichen Patienten, darüber informiert, zu welchen Zeiten und in welchem Umfang chirurgische Leistungen im Horber Hospital möglich sind? Falls Ja: Wie erfolgte diese Information?“
Die Antwort in Masts Auftrag: „Ihre weiteren Fragen können wir Ihnen leider so schnell nicht beantworten. Unsere Ansprechpartner im Haus für Ihre Fragen sind erst Anfang nächster Woche wieder da.“ Hat Peter Mast mit einer Statistik den Eindruck erweckt, die Horber würden ihr Hospital kaum nutzen, deren Aussagekraft er nicht einmal selbst überblickt?
Ein Blick ins SÜDWEST PRESSE-Archiv ergibt für den fraglichen Zeitraum, ab dem Jahr 2008, folgendes: Nachdem der Horber Chirurgie-Chefarzt Dr. Peter Paul Olinczuk im Jahr 2005 freigestellt worden war, wechselte 2007 der Horber Chirurgie-Oberarzt Dr. Georg Schrön nach Oberndorf.
Im März 2008 klagte der Horber Frauenarzt Dr. Archibald Fridrich, der am Hospital als Belegarzt praktizierte: „Da ist ein Kompetenz-Wirrwarr in der Chirurgie, das ist unglaublich.“ Ambulante und stationäre Operationen verteilten sich auf einen niedergelassenen Chirurgen, Belegärzte und das Klinik-Team. Es fehle am Marketing, diese Leistungen öffentlich bekannt zu machen. Dr. Fridrich: „Mich fragen sogar meine eigenen Patientinnen: ,Können Sie da überhaupt noch operieren?‘“ Hinzu kam: Die „Spezialitäten“, welche die Kreiskrankenhaus-Führung im Bereich der ambulanten und Kurzlieger-Chirurgie anbieten wollte, sind nie in Horb angesiedelt worden. Der damalige Geschäftsführer Rainer Schmidhuber musste im Horber Gemeinderat eingestehen, dass die Ziele nicht erreicht worden sind.
Anfang 2009 sagte Schmidhuber, die Chirurgie habe noch an fünf Tagen pro Woche geöffnet. Das hieß aber nicht, dass an fünf Tagen in den Operationssälen gearbeitet wurde. Seit Monaten war nur noch an drei Wochentagen OP-Personal in Horb. Insider berichten, dass im chirurgischen Bereich regelmäßig Patienten nach Freudenstadt überwiesen wurden, obwohl die jeweiligen Operationen im Horber Leistungsspektrum vorgesehen seien.
Im März 2009 wurde der „Aufwach-Raum“ der Chirurgie umfunktioniert für Patienten der „Station1“ (Innere Abteilung), die entsprechend überwacht werden mussten. Die eigentliche „Station 1“ mit Intensivüberwachungseinheit hatte Klinik-Boss Schmidhuber überraschend geschlossen.
„Ein bisschen zu einseitig gewesen!“
Ebenfalls im März 2009 wurde bekannt, dass Ärzte der chirurgischen Fachklinik „Winghofer Medicum“ aus Rottenburg gerne im Hospital operiert hätten: Knie, Hüften und Wirbelsäulen – alles „von ganz klein bis ganz groß“ – „auch Transplantationen“. Grob geschätzt sei es um 2 bis 3 Millionen Euro Umsatz gegangen, erklärte damals Knie- und Schulter-Spezialist Dr. Helmut Röhner. Warum das gescheitert ist? Dr. Röhner: „Herr Schmidhuber wollte am Schluss nur, dass wir Patienten schicken – das ist einfach ein bisschen zu einseitig gewesen.“
Im April 2009 wurde bekannt, dass Horbs Chirurgie nur noch über eine ärztliche Stamm-Belegschaft verfügt, die nur ambulant operieren kann oder darf… Von zwei Oberärzten wurde auch noch einer nach Freudenstadt abgezogen. Parallel dazu behauptete die KLF auf ihrer Internetseite, es könnten im Hospital künstliche Hüften und Kniegelenke eingesetzt werden. Das sind stationäre Leistungen, die seit 2006 nur noch in Freudenstadt angeboten wurden.
Im Juli 2009 erkundige sich die SÜDWEST PRESSE beim Landratsamt: „Konnte unter den neuen Chirurgie-Chefärzten das chirurgische Angebot am Standort Horb wieder ausgeweitet werden oder bis wann ist gegebenenfalls eine Ausweitung des chirurgischen Angebots geplant?“ Die Antwort: „Die neuen Chefärzte sind nunmehr seit Anfang beziehungsweise Mitte Mai 2009 im Hause. Parallel hierzu wird die Suche nach Oberärzten fortgesetzt. Sobald hier Fortschritte erzielt werden, kann über veränderte Leistungsstrukturen diskutiert werden.“ Nächste Frage: „Zeichnet sich eine Belebung des Horber OP-Betriebs durch Kooperationen mit externen Ärzten ab?“ Die Antwort vom Amt: „Die Krankenhausverwaltung ist weiterhin gesprächsbereit, konkrete Ergebnisse liegen nicht vor.“
Im November 2009 schrieb der Horber Facharzt Christian Strehlke in seiner Abschieds-Mail an seine Kollegen: „,Geisterärzte‘ würde ich das in Horb erlebte Phänomen nennen, das bestimmte Chefärzte in der jüngeren Vergangenheit zwar großen Wert darauf gelegt haben, auf Schildern im Eingangsbereich, auf Fluren, in Prospekten, auf Fotos, in Briefköpfen und auf Stempeln stets anwesend zu sein – aber auch nur dort. Diese Reviermarkierung zur Klarstellung der Hoheit in Horb steht in keinem Verhältnis zur versprochenen Arbeits- und Aufbauleistung in der Horber Chirurgie.“
Im November 2009 sagte einer der neuen Chirurgie-Chefärzte: „Wir haben in Horb einen Operationstag pro Woche. Wenn Patienten da sind, werden die auch dort operiert – sofern es die Erkrankung zulässt.“ Die Zahlen seien allerdings rückläufig: „Der Patient will ein Gesicht sehen, er möchte jemanden als persönlichen Ansprechpartner. Also muss man eine Sprechstunde anbieten. Aber wir dürfen von der Kassenärztlichen Vereinigung aus in Horb keine Sprechstunde anbieten.“ Das lag unter anderem an Geschäftsführer Schmidhuber: Hätte er dem ehemaligen Chirurgie-Chef Dr. Peter Paul Olinczuk eine sichere berufliche Perspektive bis zur Rente geboten, dann hätte es bereits ab dem Jahr 2006 ein Medizinisches Versorgungszentrum samt der kassenärztlichen Zulassung von Dr. Olinczuk als Zugang zur Ambulanz gegeben – was auch für die Freudenstädter Klinik wichtig gewesen wäre, um im Horber Raum die aufwendigeren Fälle zu gewinnen.
Ende 2010 war zwar nicht die Zahl der stationären Fälle, aber jene der Operationen in Horb gestiegen – dank Professor Dr. Dr. Heiner Welter wurden wieder Galle, Blinddarm und größere Leistenbrüche im Hospital operiert. „Er könnte noch mehr machen“, hieß es aus seiner Abteilung – ambulant wie stationär. Es brauche nur die Zahl der Operationstage wieder erhöht werden. Damals war das OP-Team, das ein Chirurg benötigt, nur an zwei oder drei Tagen verfügbar. Im Dezember war für den Professor Schluss. Die KLF-Führung verlängerte seinen Arbeitsvertrag nicht. Und 2011 begann der Umbau – unter anderem im OP-Bereich.
Darüber hinaus war über den Gesamtzeitraum selbst niedergelassenen Ärzten im Horber Raum nicht klar, was in der Hospital-Chirurgie angeboten wird – die Patienten wussten es schon gar nicht. Schmidhuber sah sich sogar außerstande, eine Presseanfrage nach dem Leistungsspektrum zu beantworten. Bleibt die Frage an Statistiker Mast: Welche Chirurgie-Patienten hätten wann und auf welche Weise behandelt werden sollen?
Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik