Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Eine Weltpremiere beim Kultur-Herbst

Veröffentlicht in: Berichte, Kultur

Print Friendly, PDF & Email

Claudi Arimany und Yuri Rozum (ver)zauberten in Fischingen an Flöte und Flügel

 

Zwei weltbekannte Musiker traten am Samstag im Fischinger Kultur- und Gewerbezentrum das erste Mal gemeinsam auf. Die Rede ist von dem Flötisten Claudi Arimany aus Barcelona und dem Pianisten Yuri Rozum aus Moskau. Folglich erlebten die rund 60 Zuhörer beim Fischinger Kulturherbst eine Weltpremiere.

Fischingen. Noch nicht lange von seiner Japan-Tournee mit Jean-Pierre Rampal zurück, leistete der Katalane Claudi Arimany seinem alten Bekannten Michael Grüber einen Freundschaftsdienst und spielte in Fischingen. Und Yuri Rozum entschloss sich bei dieser Gelegenheit gar, ein zweites Mal dort aufzutreten (siehe auch „Wir sprachen mit“).

Als erstes nahmen sich die beiden einer Sonata für Flöte und Klavier in A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart an. Der Flügel blieb dabei über weite Strecken im Hintergrund und fungierte als Begleitinstrument. Claudi Arimani ließ indes seine Flöte sprechen. Ihre lieblichen und zarten Klänge sprühten vor Anmut und Leichtigkeit. Zuweilen entwickelte sich aber auch eine Art Zwiegespräch zwischen der Flöte und dem Tasteninstrument. Der Flügel erklang dann tief und kräftig im Gegensatz zu den gehauchten Flötentönen.

Überhaupt war es ein Genuss, was die beiden Virtuosen aus dem unterschiedlichen Klangvolumen und Klangcharakter der Instrumente für Effekte zu erzielen wussten. Scheinbar mühelos wechselten sie beispielsweise zwischen angespannter Dramatik und totaler Entspannung. Mal trällernd, mal frohlockend und mal sprunghaftlebendig setzte die Flöte in Beethovens Frühlingssonate zu wunderschönen Lautmalereien an. Damit zelebrierten die Künstler ein Meisterstück des blühenden Ausdrucks und der rhythmischen Triebkraft. Es besticht durch seinen Pathos und seine leidenschaftliche Melodieführung in geschlossener Harmonik.

Einen völlig anderen Akzent setzten sie indes mit ihren Zugaben. Zunächst wählten sie mit einem Tschardasch von Dobler eine Komposition, die vor Lebensfreude geradezu strotzt. Die Lippen von Arimany schienen regelrecht auf der Flöte zu tanzen, ehe der Flügel das fetzige, kompakte Werk mit einem kurzen und zackigen Schluss zu Ende führte. Mit einem „sad Song“ (Arimany) verabschiedeten sich die beiden schließlich endgültig von der Bühne. Tschaikowsky hat ihn geschrieben – er handelt von der Einsamkeit.

Schon vorher war Claudi Arimany jedoch für einige Minuten aus dem Rampenlicht getreten. Michael Grüber, Geschäftsführer des „forum music“, klappte nämlich den Flügel hoch und bat Yuri Rozum zum Solo. Wie bereits vor zwei Wochen gelang es ihm vom ersten Anschlag an, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Derart stark ist seine Ausstrahlung – der Ausdruck seines Spiels scheint kaum mehr zu überbieten. Die Ballade Nummer 3 von Frédéric Chopin spielte er dabei wohlgemerkt das erste Mal in der Öffentlichkeit – ausgerechnet in Fischingen.  Die Impulsivität, mit der Rozum in die Tasten greift, ist phänomenal.

Derart brilliant schillern die Klangfarben, die der russische Pianist zu einem unglaublich vielschichtigen Klangbild zusammenführt. Was er am Flügel vermag, kann Sprache nicht leisten. Worte müssen angesichts dieser Klänge verblassen. Es kann sich hier also allenfalls um einen Versuch handeln, eine Genialität in Worte zu fassen, die man in Wirklichkeit gar nicht in Worte fassen kann…

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Sulzer Chronik

 

Siehe auch:

WIR SPRACHEN MIT Yuri A. Rozum

Montag

22

November 1999

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Sulz