Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

WIR SPRACHEN MIT Yuri A. Rozum

Veröffentlicht in: Kultur, Porträts

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Weltklasse-Pianist aus Moskau

 

„I am Yuri“, sagt Yuri A. Rozum gleich am Anfang und bietet damit das „Du“ an. Der Nachname spiele in seinen Kreisen nämlich keine Rolle, erklärt er. Für einen gewöhnlichen Künstler mag diese Einstellung nichts Außergewöhnliches sein. Aber Yuri A. Rozum ist nicht irgendein Pianist – er ist ein Genie. Der Mann aus Moskau ist der hochkarätigste Musiker unter den hochkarätigen Musikern, die dieser Tage im Rahmen des Fischinger Kultur-Herbstes auftreten. Er ist ein Weltklasse-Pianist, der „all over the world“ Konzerte gibt.

Ein Virtuose, der normaler Weise auf Bühnen wie in der New Yorker CarnegieHall zu Hause ist, hat also in Fischingen gespielt und das gleich zwei Mal. Das erste Konzert war noch ein Freundschaftsdienst für seinen alten Bekannten Michael Grüber. In so weit ist das noch nachvollziehbar, obwohl schon das in Wirklichkeit geradezu unglaublich ist. Den heutigen Geschäftsführer des „forum music“ hat er als Kollegen kennen gelernt, als der noch selbst klavierspielend durch die Lande zog. Wann das genau war, weiß Yuri nicht mehr. Es sei jedenfalls in der Zeit gewesen, als er die ersten Male nach Deutschland gekommen sei. Heute ist die Bundesrepublik eines der Länder Europas, in denen der 45Jährige am Häufigsten auftritt – zum Beispiel eben in Fischingen, dem Stadtteil von Sulz am äußersten Zipfel des Landkreises Rottweil. Und es klingt beinahe wie im Märchen – es hat ihm dort gefallen. Nur deshalb hat er ein zweites Mal in die Tasten gegriffen.

„Ich liebe sehr kleine Hallen“, verrät er. Die andere „atmosphere“ sei es, die er darin schätze. Deshalb fährt er nach wie vor zweigleisig – geht in „in both directions“. Soll heißen, er spielt als Solist und mit Orchestern natürlich in den großen Konzerthallen dieser Welt. Zwischendurch sucht er allerdings ab und zu die „untraditional places“ auf. So erinnert er sich beispielsweise an eine Industriehalle in Ulm und andere „crazy places“, wo er aufgetreten ist. Er sucht dort Inspiration.

Heute kann sich Yuri Rozum seine Konzertorte ganz nach seinem Geschmack aussuchen. Das ist jedoch nicht immer so gewesen. Zu Zeiten der Sowjetunion sah er sich auf die kommunistisch und sozialistisch regierte Welt beschränkt. Doch in Kindergärten und Krankenhäusern zu spielen, sei auf Dauer einfach nicht zufriedenstellend gewesen, sagt er. Überhaupt sei das Niveau der Konzerte nicht so hoch gewesen.

Obwohl er als Sohn zweier bekannter Musiker noch vergleichsweise gute Ausgangsbedingungen hatte – der „controll of the KGB“ konnte er sich nicht entziehen. 1975 durfte Yuri beispielsweise aus religiösen und politischen Gründen nicht am Queen Elizabeth Klavier-Wettbewerb in Brüssel teilnehmen. Dabei galt er damals als talentiertester und vielversprechendster Student. Dafür räumte er in den Folgejahren in Madrid, Barcelona, Montreal und dem bulgarischen Pleven die Preise ab.

Michail Gorbatschows Perestroika verhalf ihm dann endgültig zum Durchbruch. „My life just started“, sagt er rückblickend. Der politische Umschwung bedeutete für ihn einfach alles. Trotz seines Erfolges ist Yuri aber auf dem Boden und damit sehr sympathisch geblieben. Er war sich auch nicht zu schade, am Freitagabend den Schülern der Horber Musikschule „Butterfly“ eine Kostprobe seines Könnens zu geben.

Aber ganz egal, wo Yuri Rozum auftritt: Am Liebsten spielt er auf den Instrumenten von Fazioli. Doch der italienische Stradivari des Flügelbaus stellt nur wenige Stücke im Jahr her. Deshalb ist Yuri Rozum natürlich auch zufrieden, wenn er an einem Steinway-Flügel Platz nehmen kann. Und in Fischingen nahm er gar mit einem Instrument der Marke „Sauter“ Vorlieb, das für hiesige Verhältnisse freilich ein absolut edles Stück ist.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Sulzer Chronik

 

Siehe auch:

Eine Weltpremiere beim Kultur-Herbst

Montag

22

November 1999

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Sulz