Andreas Ellinger

RESEARCH, ANALYSES AND REPORTING

Der Tropfen in der Kunst

Veröffentlicht in: Berichte, Kunst

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Mikrofotografische Passbilder des bizarren Wasserblubbs

 

Obwohl scheinbar glasklar, gibt das Wasser Rätsel auf. Spätestens dann, wenn der Wasserhahn tropft. Das mag zunächst nach einem technischen Problem klingen – hat jedoch wissenschaftliche Dimension. Denn jeder Tropfen ist für sich betrachtet ein bizarres Gebilde.

Bergfelden. Ein einziger Wassertropfen bedeutet für die Bergfelder Firma Kopf im Arbeitsalltag normaler Weise gar nichts. Schließlich verlegen ihre Mitarbeiter gigantische Rohre mit denen das Trinkwasser in Massen zum Verbraucher fließt, in den Haushalten bauen sie Duschen und Badwannen ein und sie verlegen zudem die Kanäle, in denen das Element als Abwasser in Richtung Kläranlage verschwinden kann. Was ist also ein einzelner Tropfen?

Auf diese Frage gibt die Ausstellung, die am ersten Advent im Innovationszentrum der Kopf AG eröffnet hat, nicht nur eine Antwort sondern viele Anschauungsbeispiele. Die Stuttgarter Künstlerin Ruth Kübler hat sich der Struktur des einzelnen Wassertropfens nämlich mikrofotografisch angenommen. Alexander Lauterwasser bringt ihn indes zum Schwingen und Werner Meiler zum Klingen. Gemeinsam laden sie zu einer Entdeckungsreise in die „Welt im Tropfen“ ein.

Die Fotografien von Ruth Kübler wirken dabei beinahe wie von einem anderen Stern. Sehen doch viele Tropfen gleich schillernden Planeten aus, die teils mit Schweif und teils in eine Milchstraße eingebettet im Universum zu existieren scheinen. Es kommt also nicht von ungefähr, dass diese Aufnahmen auch schon im Stuttgarter Planetarium hingen.

Das unterschiedliche Aussehen der Tropfen rührt wohlgemerkt von ihrer Herkunft und ihrer Behandlung her. Ruth Kübler entnimmt das Wasser unter anderem Quellen, Flüssen, Seen und Meeren und lässt es dann tröpfchenweise trocknen. Denn erst der getrocknete Tropfen entfaltet unter dem Mikroskop diese fantastische Schönheit. Außerdem potenziert Ruth Kübler Flüssigkeiten gleich den Homöopathen. Das heißt sie schüttelt und verdünnt beispielsweise pflanzliche Säfte oder auch Blut und lässt sie wiederum in Tropfenform eintrocknen. Dadurch verfeinern sich grobstrukturierte Trocknungsmuster.

So bleiben in radioaktiv verstrahltem Wasser je nach Intensität beispielsweise Muschelstrukturen oder „schwarze Löcher“ zurück. Andere Wässer hinterlassen zauberhafte kristalline Formen ähnlich den „Eisblumen“ an gefrorenen Fensterscheiben. Wirken indes Magnetfelder auf einen Tropfen, so bilden sich zentralsymmetrische Ringe.

Die Struktur des Wassers kann sich mit seinen Lebensphasen aber auch verändern. Anhand eines mikroskopischen Bildes lässt sich folglich feststellen, ob der getrocknete Tropfen aus einer Quelle, einer Leitung, einem Fluss oder einem Abwasserkanal stammt. Friedrich Kopf: „Jedes Wasser hat eine eigene Charakteristik, ein eigenes Passbild.“ Sind die Wasserproben jedoch nahe beieinander gelagert, so gleichen sich ihre Trocknungsstrukturen an.

Für Professor Dr. Bernd Kröplin vom Institut für Statik und Dynamik der Universität Stuttgart legten diese Bilder den Schluss nahe, dass Wasser entgegen den Erkenntnissen der klassischen Wissenschaft Informationen speichern und transportieren kann. Kröplin: „Das gilt es nun, wissenschaftlich wasserdicht zu machen.“ Denn: „Dieser Strukturbildungsprozess ist ein Geheimnis, aber er ist da.“

Würde sich diese Auffassung bestätigen, so wäre auch die Wirkung homöopathischer Mittel erklärt und bewiesen. Könnten doch die Informationen, die in der Arznei-Flüssigkeit gespeichert sind, schlicht die Körperflüssigkeiten beeinflussen. Und der Körper besteht bekanntlich zu 70 bis 80 Prozent aus Wasser.

Vor diesem Hintegrund müssen sich auch Klänge auf den Körper auswirken. Wie das aussehen kann, demonstrierte Alexander Lauterwasser am Beispiel der Kopf’schen Betriebskapelle. Deren Spiel nahm er über ein Mikrofon auf und leitete die Töne über einen Schallumwandler in Wasser. Dadurch entstanden darin Schwingungen, die er visuell auf Video aufzeichnete und an eine Leinwand strahlte. Darauf konnten die knapp 200 Gäste dann gewaltige Explosionen mit verfolgen – insbesondere bei den Paukenschlägen.

Das Überraschende dabei ist, dass die Resonanzbilder teilweise Strukturen aufweisen, wie sie bisher nur aus Hochkulturen bekannt waren. Das Kreuz ist ein Beispiel dafür. Neben diesen Wasser-Klang-Bildern ließ Alexander Lauterwasser aber auch einzelne Wassertropfen schwingen. Und je schneller sie schwingen, desto komplexer werden die Figuren.

Wasser kann allerdings nicht nur optisch bezaubern, sondern auch mit seinem Klang. Werner Meilers in Bronze gegossene Brunnen entfalten jedenfalls die reinste Musik. Klare Form erzeugt hier klaren Klang. Jeder einzelne Zimmerbrunnen ist daher nichts anderes als eine Komposition. Zu sehen und zu hören ist diese „Welt im Tropfen“ bis zum 28. Februar 2000 von montags bis freitags während der üblichen Geschäftszeiten.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Sulzer Chronik

Montag

29

November 1999

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Sulz