Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Die zwei Wahrheiten über den Nordirak

Veröffentlicht in: Kommentare, Migration

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Staatliche Stellen in Deutschland verbreiten zwei Wahrheiten über die Situation im kurdischen Nordirak – je nachdem, ob es um Reisende aus Deutschland oder um Flüchtlinge aus dem Irak geht. Touristen warnt das Auswärtige Amt auf seinen Seiten im Internet: „Die nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimaniya, sowie Teile der Provinz Ninawa, die von der Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) verwaltet werden, sollten aufgrund der immer wieder vorkommenden bewaffneten Zwischenfälle in diesem Gebiet gemieden werden.“

Die 20-jährige Kurdin Kares Ali aus Freudenstadt soll mit ihrer Familie in den Nordirak zurückkehren – so will es das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Karlsruhe, und das Verwaltungsgericht Karlsruhe hält das für richtig. Familie Ali wird seit rund zwei Jahren nur „geduldet“. Das heißt, die Behörden sehen alle drei Monate für ein weiteres Vierteljahr von einer Abschiebung ab. Sie können nicht abschieben, weil es beispielsweise mit der Türkei kein Abkommen gibt, nach dem abgeschobene Flüchtlinge durch die Türkei verfrachtet werden dürften. Und zum Irak bestehen keine diplomatischen Beziehungen, die eine Abschiebung ermöglichen würden.

Das ändert nichts daran, dass Alis zur Ausreise verpflichtet sind. Die türkischirakische Grenze sei am Grenzübergang Habour offen und passierbar, urteilt das Karlsruher Verwaltungsgericht. „Die Grenzen des Nordirak zu den benachbarten Staaten kontrollieren allenfalls Posten der jeweiligen Parteien, nicht aber irakische Grenzschutzkräfte.“ Auf Basis der gerichtlichen LageEinschätzung bringt es Familie Ali nichts, wenn das BundesInnenministerium nach dem neuen Zuwanderungsgesetz feststellt: „Wer aus objektiven Gründen nicht in sein Herkunftsland zurückkehren kann, kann in Zukunft nach dem Aufenthaltsgesetz ein befristetes Aufenthaltsrecht in Form einer Aufenhaltserlaubnis erhalten.“ Das Auswärtige Amt warnt Reisende unterdessen: „Eine Einreise über die Türkei oder Syrien in dieses Gebiet wird von der Regierung in Bagdad als illegale Einreise in irakisches Hoheitsgebiet angesehen.“

Der Nordirak wird seit dem Golfkrieg Anfang der 90erJahre von Kurden verwaltet. Nach Auskunft von WADI, einem Verband für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungszusammenarbeit in Frankfurt, sind auf dem Gebiet „weiterhin irakische Geheimdienst-Kräfte aktiv“. 1996 drangen Saddam Husseins Truppen in den Nordirak ein und eroberten unter anderem die Stadt Arbil, aus der Familie Ali stammt. Im Juli 1997 sind Suliman und Shinan Ali mit ihren fünf Kindern nach Deutschland geflohen.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

 

Siehe auch:

Feature: Eine Integration ist nicht erwünscht (24.08.2002)

Samstag

24

August 2002

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb