Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Wenn Blasmusik rockt

Veröffentlicht in: Berichte, Kultur

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Ein Weitinger Advents-Konzert mit jugendlicher Note

 

Blasmusik kann richtig rocken – das erkannten die knapp 300 Zuschauer in der Weitinger Festhalle spätestens, als Drummer Markus Saile in „Bon Jovi“-Manier mit seinem Solo loslegte. Der Weitinger Musikverein und seine Jugendkapelle haben unter der Leitung von Joachim Nägele einen klasse „Gig“ gespielt.

Weitingen. Normalerweise verstummen E-Gitarren, wenn ein Mann hinter der „Schießbude“ die Sticks etwas fester fasst, um aus dem relativ unaufdringlichen Rhythmus einen Gewitterdonner werden zu lassen. Am Samstag, kurz nach halb Elf, waren es die Querflöten, Klarinetten, Trompeten, Hörner, Saxophone und Bässe, die urplötzlich schwiegen. Schlagzeuger Markus Saile nutzte die orchestrale Version von „Bon Jovis“ Hardrock-Song „You Gave Love A Bad Name“ zu einem Solo, wie es Blasmusik-Liebhaber eher selten auf die Ohren bekommen…

Markus Saile trommelte das Ende eines Konzerts ein, das insgesamt sehr jugendliche Züge aufwies. Die Jugendkapelle, die erst seit einem runden dreiviertel Jahr lang zusammenspielt, hatte den Abend eröffnet. Und dieser Auftritt endete mit einer ersten Überraschung: Dirigent Joachim Nägele griff zum Schellenkranz und reichte den Taktstock an Marcel Breining weiter. Die Nachwuchs-Hoffnung der Weitinger Kapelle hat als erster im Verein den D3-Lehrgang gemacht und erfolgreich abgeschlossen.

Marcel Breining ließ das junge Ensemble nicht nur seine Zugabe spielen, sondern auch trampeln. „Wenn der Elefant in die Disco geht…“ – so hieß das Stück. Der „ganz ambitionierte junge Mann“, wie ihn Joachim Nägele dem Publikum vorgestellt hatte, überzeugte mit einem engagierten Dirigat.

Zuvor hatten die Trompeten der Jungmusiker schon „around the clock“ gerockt. Und das tiefe Blech versuchte in „Shades of Blue“ federführend, den kräftig-dunklen Blau-Ton der Uniform-Jacken in hörbare Töne zu verwandeln.

Ehrgeizig waren teilweise auch die Aufgaben, denen sich die Hauptkapelle stellte. Vor allem in zwei Medleys zogen die mehr als 40 Musikerinnen und Musiker alle Register. In „Eighties Flashback“ gab‘s außer „Bon Jovi“ Top-Hits von Michael Jackson, Cindy Lauper, Survivor und Joe Cocker zu hören – verbunden mit vielen musikalischen Tempo-Wechseln. Und die „Liverpool Sound Collection“ begann mit dem animalischen Evergreen „The House Of The Rising Sun“. Mit dem „Haus der aufgehenden Sonne“ sei ein Bordell gemeint gewesen, erklärte Moderator Roland Schneider den Lied-Text, der in der Blasmusik-Version zwangsläufig kaum zu deuten gewesen wäre… „Wahrscheinlich hat in diesem Haus schon mancher die Sonne aufgehen – aber vieles andere auch schon untergehen sehen“, meinte Schneider und rief damit in der Halle großes Gelächter hervor.

Die Weitinger Kapelle gestaltete diesen „House“-Titel facettenreich und dementsprechend anspruchsvoll. Eine Solo-Trompete begann die Melodie auf eindringliche und stimmungsvolle Weise. Das tiefe Blech führte das Motiv fort, ehe das Xylophon zur prägenden Stimme wurde. Selbst als die Bläser im Vollklang agierten, zeichnete das filigran virtuose Glockenspiel die dominierenden Melodie-Linien.

An dieser Stelle sei die leistungsstarke Rhythm-Section der Dorfkapelle erwähnt. Die drei Herren im Hintergrund bedienten sich eines ungeheuren Instrumenten-Pools, den sie stilprägend einsetzten, ohne dabei aufdringlich zu werden – wie das von einer Rhythmus-Fraktion idealerweise erwartet wird.

Mit diesem Potenzial vermochte die Kapelle vielfältige Stimmungen zu erzeugen. Jugendleiter Matthias Schiebel und Jungmusiker Manuel Saile waren beispielsweise mit ihren Solo-Trompeten als „Zwei Mexikaner in Böhmen“ unterwegs. Neben dieser Polka durften auch Märsche nicht fehlen, um die Liebhaber traditioneller Blasmusik zu begeistern. Dem militärisch strammen „Mars der Medici“ folgte später der „Florentiner Marsch“, in dem die Weitinger ähnlich einem Spielmannszug tirilierten. Das italienische Werk „Il Signore é con te“ war indes bestimmt von lieblich klingenden Flöten, die tonal weich in das Klarinettenspiel eingebettet waren. Die getragene Melodie hatte teils kirchenmusikalische Züge. Der Titel heißt übersetzt: „Der Herr ist mit Dir.“ Dieselben Instrumenten- Gruppen trumpften in Jennifer Rushs kraftvoller Liebes-Ballade „The Power Of Love“ gefühlvoll auf.

Bei all der Power und trotz Rock und Pop gelang es dem Weitinger Musikverein, seine Zuhörerinnen und Zuhörer mit einer besinnlichen Zugabe in die Vorweihnachtszeit zu verabschieden – mit dem monumental interpretierten Weihnachtslied „Stille Nacht“.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Aus dem Gäu

Montag

8

Dezember 2008

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Gäu