Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Orchideen-Paradies in Gefahr

Veröffentlicht in: Berichte, Umwelt

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Volkmar Rieber klagt: Das Regierungspräsidium hat die Pflegemittel für den Kuglerhang gekürzt

Das Orchideen-Paradies „Kuglerhang“ ist in Gefahr, wie der Horber Naturschützer Volkmar Rieber warnt. Das Regierungspräsidium Karlsruhe habe 75 Prozent der Pflege-Zuschüsse für das Naturschutzgebiet gestrichen.

Horb. Als das Regierungspräsidium im Jahr 2007 die Pflege-Ausgaben von rund 10 000 Euro für den Kuglerhang mittels Ziegen-Beweidung halbieren wollte, sah der ehemalige NABU-Chef Volkmar Rieber Rot. Und das lag nicht an den Orchideen- Blüten des steilen Horber Naturschutzgebiets. Der NABU-Aktivist, der für seine Verdienste mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden ist, protestierte: „Ziegen sorgen nicht nur für eine offene Landschaft… – sondern für eine freie Landschaft ohne Blumen.“ Das konnte der Horber verhindern. Allerdings habe das Regierungspräsidium im Gegenzug nur noch Teilflächen pflegen lassen – im jährlichen Wechsel. „Und manche Flächen gar nicht mehr“, klagt Rieber. „So verschlechterte sich das Bild dieses in Deutschland einmaligen Orchideen-Hangs derart dramatisch, dass die einstige Blütenpracht in Teilen bereits unter dem Gras-Filz erstickte.“ Der Sachbearbeiter des Regierungspräsidiums war gestern für eine Anfrage der SÜDWEST PRESSE nicht zu erreichen. Die Pressestelle hat eine Antwort für heute angekündigt.

Volkmar Rieber erzählt, dass das Regierungspräsidium nach dem Scheitern des Ziegen-Modells nicht nur 50 sondern 75 Prozent der Pflegekosten eingespart habe. Und: „Der Verantwortliche des Regierungspräsidiums hat die Fläche, die am Kuglerhang jährlich gepflegt werden soll, willkürlich von 2,345 Hektar um 67 Prozent auf 0,78 Hektar verkleinert.“

Das Regierungspräsidium (RP) ließ sich auch nicht in einer Sitzung bei Bürgermeister Peter Rosenberger im November umstimmen, wie Rieber berichtet. Die „Untere Naturschutzbehörde“ des Landratsamtes und der Naturschutz-Beauftragte Dieter Zuleger seien ebenfalls vertreten beziehungsweise dabei gewesen. Rieber erinnert sich an eine Aussage des RP-Vertreters, die sinngemäß wie folgt gelautet habe: „Es ist nicht wichtig, ob dort 10 000 oder nur 2000 Orchideen blühen. Hauptsache, die Art bleibt erhalten.“

Der NABU-Mann betont: „Über Jahrzehnte hinweg lief die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Verein, der sich als Landschaftspfleger einen Namen gemacht hat und wiederholt ausgezeichnet wurde, absolut vertrauensvoll. Dies scheint vorbei zu sein.“ Während Jahre lang Firmen im Auftrag des Regierungspräsidiums gearbeitet hätten, seien zuletzt junge Forstwirte für den Restbetrag von rund 2500 Euro an dem Steilhang zu Werke gegangen – und Ehrenamtliche. Die Horber Landschaftspflege- Gemeinschaft, der unter anderem der Naturschutzbund, der Schwarzwaldverein und der Albverein angehören, versucht das Orchideen-Paradies zu retten.

Die Helfer stoßen jedoch an ihre Kapazitäts-Grenze, weil sie seit jeher schon andere Flächen bearbeiten. Und Volkmar Rieber weist auf eine ungeklärte Frage hin: „Woher soll die finanzielle Unterstützung kommen?“ Es gelte Vesper, Sprit und Maschinen zu finanzieren.

Hinzu kam in diesem Jahr: „Der lange, strenge Winter hat verhindert, dass weite Teile des Kuglerhangs an günstigen Samstagen so nach und nach in Gemeinschaftsarbeit gemäht werden konnten.“ Daher ging Ruheständler Rieber in den ersten beiden März-Wochen mit Mäher und Freischneider zu Werke – „wann immer es die Witterung halbwegs zuließ“. An jeweils einem Nachmittag unterstützte ihn der Naturschutzwart des Albvereins, Joachim Straub, und der NABU- Vize Thomas Bischof.

Mit Bergstiefeln ausgerüstet befreiten am vergangenen Samstag 19 Erwachsene und 2 Kinder mit Rechen, Gabel und Plane den Hang vom Schnittgut. Mit angepackt haben die NABU-Chefin Dr. Ursula Göttert, der Albvereins-Vorsitzende Max Essig und der Schwarzwaldvereins-Vize Walter Zürn – sowie die Mitglieder der jeweiligen Ortsgruppen. Und während das gesamte Schnittgut aus dem Gebiet heraus transportiert wurde, besorgte Ute Grube das Vesper und richtete es unten im Naturschutzhaus her. Zufrieden stellte Rieber fest: „Der ganze Kuglerhang oberhalb – aber auch teilweise unterhalb des Weges – erstrahlt wieder im ,alten Glanz‘.“

Schon vor über 70 Jahren sei von 5000 Orchideen am Kuglerhang überregional berichtet worden. Ab 1975 stellte der NABU (damals noch Deutscher Bund für Vogelschutz) diesen blumigen Anblick wieder her. Die jährliche Herbstmahd ließ nach und nach rund 10 000 Helmknabenkräuter und viele andere Orchideen erblühen, wie Volkmar Rieber erzählt. In den letzten Jahren seien drei neue Arten hinzugekommen. 1982 wurde der Kuglerhang zum Naturschutzgebiet. Die Pflege-Regie sei auf Bitten des Regierungspräsidiums an die Behörde übergeben worden.

„Auf der einen Seite soll das Grünprojekt 2011 Farbe und etwas Flair in die Stadt bringen“, sagt Volkmar Rieber. „Da darf auf der anderen Seite dieses einmalige Stück alter Kulturlandschaft mitten in Horb, ein überregionaler Magnet für Naturfreunde, eben das Orchideen-Paradies Kuglerhang, doch nicht vor die Hunde gehen!“

Die Helfer der „Offenen Horber Landschaftspflege-Gemeinschaft“ seien stolz, „dass das Blatt vorerst gewendet werden konnte“, berichtet Volkmar Rieber. „Mit ihrem erfolgreichen Einsatz verbinden alle aber die Hoffnung, dass sich für den nächsten Winter ,hangtüchtige Motorsensen-Sportbegeisterte‘ zur Mithilfe bereit erklären.“

Am liebsten wäre es Rieber aber, wenn das Regierungspräsidium wieder mehr Geld bereitstellen würde. Das sei für die Existenz-Sicherung des örtlichen Landschaftspflege- Gewerbes sinnvoll. Abgesehen davon könne es sonst passieren, dass die Landschaftspflege- Gemeinschaft andere Flächen zu Gunsten des Kuglerhangs aufgeben müsse. Volkmar Rieber hat gehofft, das Regierungspräsidium beschämen zu können, wenn Ehrenamtliche die Blütenpracht erhalten, welche die Behörde verkommen lassen wollte oder will. Ob die Taktik des Naturschützers aufgegangen ist, wird die künftige Zuschuss-Politik zeigen.

Info:
Kontakt zur Offenen Horber Landschaftspflege-Gemeinschaft: Volkmar Rieber, Telefon (0 74 51) 21 40.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Dienstag

17

März 2009

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb