Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Krankenhäuser außer Kontrolle

Veröffentlicht in: Berichte, Demokratie

Print Friendly, PDF & Email

Der Freudenstädter Kreistag ringt mit Landrat Dombrowsky um die Kontrolle über die eigene Klinik-Gesellschaft

 

Die Idee: Verlustreiche Kreis-Krankenhäuser sollen als gemeinnützige GmbH Gewinne bringen. Doch die Konstruktion geht auf Kosten demokratischer Kontrolle, wie sich im Kreis Freudenstadt gezeigt hat.

Wenn die Post AG als ehemaliges Staatsunternehmen eine Dorf-Filiale schließt, appellieren Kommunalpolitiker gern an die Bundestagsabgeordneten: Der Bund solle seinen Einfluss auf die Post zugunsten des ländlichen Raumes geltend machen – über die bundeseigene KfW-Bank, die rund 30 Prozent der Post-Anteile hält.

Kommunalpolitiker im Landkreis Freudenstadt müssen erkennen, dass der Bund in Post-Angelegenheiten ziemlich machtlos ist. Der Kreistag ringt um seinen Einfluss auf das Kreiskrankenhaus, obwohl die Klinik-Gesellschaft zu 100 Prozent dem Landkreis gehört.

Im Jahr 2005 hat der Kreistag sein Kreiskrankenhaus mit Standorten in Freudenstadt und Horb als gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung ausgegliedert. Dadurch könnten unternehmerische Entscheidungen schneller und wirkungsvoller getroffen werden, argumentierte der damalige Klinik-Direktor und heutige Geschäftsführer Rainer Schmidhuber. Anders ausgedrückt: Der demokratische Entscheidungsprozess im Kreistag schien ihm ungeeignet zu sein, um sinnvoll wirtschaften zu können.

Über drei Jahre verteilt sollte der Kreis zehn Millionen Euro zuschießen – dann sollte die „Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH“ (KLF) eigenwirtschaftlich arbeiten. Nach Jahren mit Millionen-Defiziten klang das für die Kreistags-Mehrheit verlockend.

Nur zwei Jahre später musste das Kreis-Parlament die Beschlusslage korrigieren: Weil das Klinikwesen aufgrund der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen ein Verlust-Geschäft bleibt. In der gGmbH-Struktur ist das Minus sogar gewachsen: 2009 sollen fünf Millionen Euro aus dem Kreis-Haushalt in die KLF-Kasse fließen. Der Unterschied: Der Kreistag kann die Geschäftspolitik kaum mehr beeinflussen – Folge der schlankeren Entscheidungs-Strukturen.

Wie schlank sie geworden sind, zeigt sich in der Gesellschafter-Versammlung. Sie soll „allgemeine Grundsätze für die Krankenhausführung und -entwicklung“ festlegen sowie den Aufsichtsrat und die Geschäftsführung entlasten. Diese Gesellschafter-Versammlung besteht nur aus einer Person: dem Landrat Peter Dombrowsky. Er ist kraft Amtes Chef des Aufsichtsrates und als solcher leitet er die Gesellschafter-Versammlung. Und einziger Gesellschafter ist der Landkreis – vertreten durch den Landrat. Peter Dombrowsky entlastet also Jahr für Jahr den Aufsichtsrat mit seinem Vorsitzenden Peter Dombrowsky.

Das Landratsamt bestätigt dies: „Der Landrat ,versammelt sich in der Gesellschafter-Versammlung – dazu braucht er keine Einladung, keine Tagesordnung und keine Anwesenheitsliste – und beschließt, was zu beschließen ist.“ Der Landrat lege vor der Gesellschafter-Versammlung – gemäß der Hauptsatzung des Landkreises – „wichtige Dinge“ dem Kreistag vor. Dazu zähle der Jahresabschluss oder die Gründung von Tochtergesellschaften. Die „Willensbildung für die Beschlüsse der Gesellschafter-Versammlung“ erfolge damit im Kreistag, schreibt die Pressestelle.

Dem Landkreistag Baden-Württemberg ist diese Verfahrensweise bekannt. „Ich kenne keinen Kreis, der keine GmbH hat“, sagt Bernd Klee, leitender Direktor des Finanzdezernats. Wenn die Geschäfte „einvernehmlich geregelt“ würden, sei das in Ordnung. Klee: „Mir ist kein negativer Fall bekannt.“
Einvernehmen herrscht im Freudenstädter Kreistag bezüglich Kreisklinik-Politik nicht mehr. Vor knapp einem Jahr hat das Gremium für den kleineren Klinik-Standort in Horb eine „Stärkung der Personalbasis im Bereich Innere Medizin“ beschlossen. Geschäftsführer Schmidhuber hat jedoch eine der zwei letzten Horber Klinik-Stationen wegen Personalnot am Standort Freudenstadt geschlossen und zwar das „Herzstück“ mit Intensiv-Überwachung – vorübergehend, wie er inzwischen betont. Als er den Betriebsrat zum ersten Mal mit der Schließung konfrontierte, war noch von keiner Befristung die Rede. Trotz politisch geforderter Personal-Verstärkung musste außerdem der Leitende Oberarzt in Horb ununterbrochen Dienst tun oder in Ruf-bereitschaft sein: 28 Tage lang, weil eine Kollegin krank war und aus Freudenstadt kein Ersatz kam.

Klinik-Chef Schmidhuber hat diese Entscheidungen zum „operativen Geschäft“ erklärt. Es sei auf das Ziel des Kreistags gerichtet, irgendwann eine „schwarze Null“ zu erreichen. Mit derselben Begründung hat er OP-Personal aus Horb abgezogen, so dass noch an drei Wochentagen operiert werden kann – obwohl er im Kreistag eine fünftägige OP-Bereitschaft angekündigt hatte.

Schon vor gut einem Jahr sind Pläne publik geworden, die eine Schließung der Horber Klinik vorsehen, obwohl ihr Erhalt politisch beschlossen wurde. Geschäftsführer und Landrat haben damals bestritten, dass es solche Ideen gibt.

Was erst kürzlich bekannt wurde: Der Geschäftsführer hat einen Anästhesie-Arzt, den er selbst als „schwierigen Mitarbeiter“ einstuft, zur geheimen Überwachung der zwei Chirurgie-Chefärzte eingesetzt. Der damalige Chefarzt der Anästhesie erfuhr von dieser „Sammlung kritischer OP-Fälle“ und reichte sie an die Chirurgie-Kollegen weiter. Dies hat der Geschäftsführer dem Anästhesie-Chef unter anderem vorgeworfen: Dem Chefarzt wurde gekündigt. Und von den Chirurgie-Chefs, die sich mit dem Anästhesisten solidarisierten, hat einer selbst gekündigt. Der andere ist vor kurzem freigestellt worden.
Um diese Vorgänge aufzuklären hat die FDP-Kreistagsfraktion einen Untersuchungsausschuss beantragt. Der Landrat hat jedoch angedeutet, dass ein solcher Ausschuss wohl keine Einsicht in die Akten der gGmbH erhalten könne.

Die politische Kontrolle soll durch vier Kreisräte und den Landrat im Krankenhaus-Aufsichtsrat gewährleistet sein: Wolfgang Mieckley, ein Arzt, ist in dieser Doppelfunktion tätig. Er hat kürzlich Geschäftsführung und Aufsichtsrat öffentlich kritisiert. Daraufhin gab Aufsichtsratsvize, Anwalt Wolfgang Ziefle, bekannt, dass nun diskutiert werde, Mieckley strafrechtlich verfolgen zu lassen, weil er als Aufsichtsrat Geheimnisträger sei und Interna ausgeplaudert habe.

Was Ziefle hingegen als „zulässig“ bewertete: Dass auf einer Internet-Seite der Klinik-Gesellschaft gegen den FDP-Kreisrat und Horber OB Michael Theurer eine Kampagne unter dem Motto „Theurer es reicht“ gestartet wurde. Der Politiker hatte zuvor die Klinik-Leitung kritisiert. Ziefle verglich die anonym gehaltenen Angriffe gegen Theurer mit Leserbriefen. Einer der namenlosen Schreiber wollte etwa, „dass die Region diesen gefährlichen Mann endlich los bekommt“.

Gibt es eine Rechtsaufsichts-Behörde, welche die Vorgänge der kreiseigenen Gesellschaft prüft? Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist nur für die Kreis-Verwaltung zuständig – nicht für eine ausgelagerte GmbH, teilte die Behörde der SÜDWEST PRESSE mit: Gefragt sei „die demokratische Kontrolle durch die Öffentlichkeit und damit auch durch die Zeitung“.

Andreas Ellinger, Südwest Presse, Politik

 

Siehe auch:

Einer ist alle – alle sind einer!

Montag

16

März 2009

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Politik