Medizinische Systemfrage
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Das Gesundheitssystem ist eine Mischung aus Markt- und Planwirtschaft, bei der es die Bundesregierungen der vergangenen Jahr(zehnt)e geschafft haben, die Nachteile beider Systeme zu kombinieren. Die Auswirkungen auf das Krankenhauswesen im Kreis Freudenstadt: Die Kostenersätze der Krankenkassen für stationäre Leistungen und die Landes-Zuschüsse für Struktur-Investitionen reichen nicht aus, um die „Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH“ (KLF) wirtschaftlich betreiben zu können.
Unternehmerisches Handeln nach marktwirtschaftlichen Gesetzen ist gefordert. Um zusätzliche Klinik-Patienten aus der Umgebung zu gewinnen, könnte in Ambulanz-Sprechstunden Kontakt geknüpft werden. Doch da sind planwirtschaftliche Grenzen gesetzt.
Um gesetzlich versicherte Patienten ambulant behandeln zu dürfen, braucht ein Arzt eine kassenärztliche Zulassung. Und die Zahl der Zulassungen ist im Landkreis beschränkt: Nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg ist im Kreis Freudenstadt derzeit keine frei.
Wenn diese Zulassungen in Bereichen wie der Inneren Medizin, der Chirurgie oder der Radiologie von Ärzten mit eigener Praxis belegt sind, kann kein entsprechender Klinik-Arzt eine Zulassung bekommen – und keine Sprechstunde für Kassen-Patienten anbieten. Gesetzlich versicherte Brustkrebs-Patientinnen müssen deshalb nach einer Operation im Freudenstädter Krankenhaus in eine Arzt-Praxis wechseln, wenn sie sich einer Mammographie unterziehen wollen – obwohl das dortige Gerät älter sei, wie eine Frau gegenüber der SÜDWEST PRESSE geklagt hat.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) hat dazu mitgeteilt: Die nachstationäre Behandlung sei im Krankenhaus zulässig und gewollt – für darauf folgende Vorsorge-Untersuchungen müsse jedoch der niedergelassene Arzt in Freudenstadt aufgesucht werden. Das Alter des Mammographie-Gerätes ist laut KV-Sprecher Walter Schenk von untergeordneter Bedeutung. Die Geräte würden regelmäßig überprüft – beispielsweise hinsichtlich ihrer Strahlenbelastung. Von der Technik her habe sich da in den vergangenen vier Jahren „nicht viel geändert“.
In puncto Strahlen ist allerdings auch die Zahl der Aufnahmen relevant. Und da sollen mit digitalen Apparaten – vor allem bei Frauen mit größeren Brüsten – weniger notwendig sein als mit analogen.
Besonders gravierende Folgen hat der fehlende Zugang zur Ambulanz in der Chirurgie des Hospitals. „Wir haben in Horb einen Operationstag pro Woche“, sagte der neue Freudenstädter Chefarzt Dr. Martin Rinio kürzlich. „Wenn Patienten da sind, werden die auch dort operiert – sofern es die Erkrankung zulässt.“ Die Zahlen seien allerdings rückläufig. Nach Daten der Krankenkasse AOK lag die vollstationäre Fallzahl in Horb zuletzt bei 416 im Jahr, ambulante Operationen waren es 28. Dr. Rinio erklärte den Rückgang wie folgt: „Der Patient will ein Gesicht sehen, er möchte jemanden als persönlichen Ansprechpartner. Also muss man eine Sprechstunde anbieten. Aber wir dürfen von der Kassenärztlichen Vereinigung aus in Horb keine Sprechstunde anbieten.“
Das liegt an der Planwirtschaft, aber auch an KLF-Geschäftsführer Rainer Schmidhuber. Hätte er dem ehemaligen Horber Chirurgie-Chef Dr. Peter Paul Olinczuk eine sichere berufliche Perspektive bis zur Rente geboten, dann gäbe es seit dem Jahr 2006 ein Medizinisches Versorgungszentrum samt der kassenärztlichen Zulassung von Dr. Olinczuk als Zugang zur Ambulanz – was auch für die Freudenstädter Klinik wichtig gewesen wäre, um im Horber Raum die aufwändigeren Fälle gewinnen zu können.
Aus Sicht der niedergelassenen Ärzte ist der KV-Schutz wichtig. Wer als medizinischer Unternehmer sechsstellige Summen in Geräte investiert und ebenfalls planwirtschaftlichen Beschränkungen unterliegt, dessen Existenz könnte sonst durch öffentlich finanzierte Klinik-Konkurrenz gefährdet werden.
Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik