Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Wo sind die Millionen hin?

Veröffentlicht in: Berichte, Politik

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Wenn in Horb Gewerbesteuer-Zahler ansiedeln, kommt nicht unbedingt mehr Geld in die Stadtkasse

 

Wenn Horb erfolgreiche Wirtschaftsförderung betreibt und mehr Gewerbesteuer einnimmt, bedeutet das nicht automatisch, dass die Stadt mehr Geld hat. Umlage-Systeme in Kreis und Land mindern die Leistungs-Anreize für manche Gemeinden. Das Land kann dabei sogar über Mittel entscheiden, die gar nicht dem Land gehören – sondern den Kommunen.

Horb. Der Bund stellt einen Teil seiner Einkommensteuer-, Körperschaftssteuer- und Umsatzsteuer- Einnahmen für Länder und Kommunen bereit – überwiesen wird alles an die Länder. Der Anteil der Städte und Gemeinden Baden- Württembergs fließt in einen Topf, in den die Kommunen auch den Großteil ihrer Finanzausgleichsumlage einbezahlen. Im Jahr 2008 kamen insgesamt 6,4 Milliarden Euro zusammen. Die Verteilung von 5,2 Milliarden Euro war gesetzlich festgelegt – mit den übrigen 1,2 Milliarden der Gemeinden konnte das Land kommunale Strukturpolitik betreiben, wie der Horber ,Finanzminister‘ Joachim Patig anmerkt. So entscheidet das Land, wer beispielsweise Zuschüsse für Schulen, Sportstätten, Kliniken, die Wasserversorgung und die Abwasserversorgung bekommt.

Einen Anteil von 87 Millionen Euro verteilte das Land im Jahr 2008 über den „Ausgleichstock“ – in Form von Investitionshilfen für Gemeinden: Horb profitierte 2009 zum letzten Mal, während Nagold heute noch aus dem Zuschusstopf bedient wird. Der Grund: Nagold wird vom Landes-Wirtschaftsministerium als „strukturschwacher Raum“ eingestuft und Horb nicht.

Wie es um die „Steuerkraft der Gemeinden“ bestellt ist? Nagold nimmt laut einer Statistik, die im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs für das Jahr 2011 erstellt wurde, rund 7,1 Millionen Euro an Gewerbesteuer ein, Horb nur runde 4,4 Millionen. An „Schlüsselzuweisungen“ nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) erhält Nagold 4,1 Millionen Euro und Horb 9,4 Millionen. Das bedeutet, dass Nagold (aufgrund seiner Steuerkraft) den eigenen Finanzbedarf besser abdecken kann als Horb.

Horb zählte in den vergangenen Jahren wiederholt zu den „Sockelgarantie- Gemeinden“, wie Joachim Patig berichtet. Die Steuerkraft dieser Gemeinden ist im Vergleich zu ihrem Finanzbedarf besonders schwach ausgeprägt. Sie erhalten nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) eine Mehrzuweisung, die ihnen eine finanzielle Mindestversorgung garantiert.

Wenn eine Sockelgarantie-Gemeinde im Vergleich zu den anderen Gemeinden im Land eine überdurchschnittliche Zunahme der Gewerbesteuer verbuchen kann, hat sie nicht automatisch mehr Geld. Wenn die Kommune durch diese Mehreinnahmen nicht so leistungsfähig wird, dass sie keine Sockelgarantie mehr braucht, dann zahlt sie nach der Systematik des Finanzausgleichs im übernächsten Jahr drauf: Sie muss aufgrund ihrer Mehreinnahmen in den Umlage-Topf einbezahlen, aus dem sie gleichzeitig weniger Schlüsselzuweisungen erhält. Die höhere Steuerkraftsumme wirkt sich zudem auf den Beitrag für die Kreisumlage aus: Er steigt. Wiederum im übernächsten, also im fünften Jahr bekommt die Gemeinde einen Teil der Mehrausgaben zurück.

Konkreter: Aufgrund des kommunalen Finanzausgleichs kann es einer Sockelgarantie-Gemeinde passieren, dass von 2 Millionen Euro Gewerbesteuer-Plus im ersten Jahr nur 1,6 Millionen übrig bleiben – im dritten Jahr entstehen dadurch 2,6 Millionen Verlust und im fünften Jahr kommt eine knappe Million an Umlage-Mitteln zurück. Fazit: Von 2 Millionen Gewerbesteuer, welche die Gemeinde im Landes-Vergleich überdurchschnittlich erzielt haben muss, bleibt in diesem Fall nichts übrig. Falls die Steuereinnahmen überall zulegen, verschiebt sich das Ausgleichsgefüge und alle profitieren.

Horb bewegt sich seit Jahren an der Grenze zur Sockelgarantie – mal darunter, mal darüber. Eine Wirtschaftsförderung, die gewinnträchtige Firmen anlockt, beginnt sich im System des Finanzausgleichs erst auszuzahlen, wenn die Stadt keine Sockelgarantie-Zahlungen benötigt. Als „normaler Gemeinde“ bleiben ihr von einem überdurchschnittlichen Gewerbesteuer-Plus nach fünf Jahren immerhin knappe 10 Prozent. Bei den leistungsfähigen Gemeinden, die den Ausgleichs-Topf maßgeblich füllen, sind es mehr als 30 Prozent.

Als leistungsfähig gelten Glatten, Loßburg und Schopfloch. Sie erhalten im Haushaltsjahr 2011 nicht einmal Schlüsselzuweisungen, was aus ihrer Steuerstärke im Jahr 2009 resultiert. In Glatten sitzt die Firma Schmalz, in Loßburg das Unternehmen Arburg und in Schopfloch die Homag AG: Sie kommen als Gewerbesteuer-Zahler großen Stils infrage. Der Finanzbedarf ihrer Standort-Gemeinden ist aber vergleichsweise gering, da es sich um relativ kleine Kommunen handelt. Nach den Kriterien des Finanzausgleichsgesetzes liegt ihre Steuerkraft über ihrem Finanzbedarf.

 

Der kommunale Finanzausgleich in Baden-Württemberg

Der Finanzausgleich zwischen den Gemeinden in Baden-Württemberg wird im „Finanzausgleichsgesetz“ (FAG) geregelt. Die Berechnungsgrundlage für etwaige Ausschüttungen (Schlüsselzuweisungen, Mehrzuweisung im Sinne der „Sockelgarantie)“ ist vielschichtig. „Schlüsselzahlen“ mit sieben Nachkommastellen sowie „Anrechnungs-Hebesätze“ fungieren beispielsweise als Multiplikatoren, welche die Rechnung zu einer abstrakten Prozedur werden lassen – auch diverse Pauschalwerte tragen nicht zur Nachvollziehbarkeit bei.

Die Steuerkraftmesszahl und die Bedarfsmesszahl sind zentrale Zwischenergebnisse. Die Steuerkraftmesszahl soll die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Gemeinde darstellen – die Bedarfsmesszahl den Finanzbedarf der Kommune. Das Verhältnis der beiden Werte ist in Horb teilweise so schlecht, dass die Stadt einen Zuschuss nach der Sockelgarantie- Regelung erhält.

Aus der Systematik des kommunalen Finanzausgleichs ergibt es sich, dass Horb nur drei Ansatzpunkte hat, um kurzfristig zusätzliche Steuereinnahmen zu erzielen – ohne dass sie teilweise in den Ausgleichs-Topf abfließen: Es handelt sich um die Hebesätze der Grundsteuern A und B sowie der Gewerbesteuer. Wenn sie über dem Anrechnungs-Hebesatz des FAG liegen, bleiben Erträge aus Hebesatz-Erhöhungen in der Stadtkasse. Der Nachteil: Je höher die Hebesätze, desto unattraktiver ist Horb als Wohnort und als Wirtschaftsstandort.
Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Dienstag

5

April 2011

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb