Sein Urteil war bares Geld wert
Veröffentlicht in: Justiz, Porträts
Horbs Amtsgerichts-Direktor Wolfgang Heuer wechselt als Vorsitzender Richter ans Landgericht Rottweil
Als Horber Amtsgerichts-Direktor ging Wolfgang Heuer vor drei Wochen in den Urlaub – als Vorsitzender Richter des Landgerichts Rottweil ist er gestern zurückgekehrt.
Horb. Die knapp zweieinhalbjährige Amtszeit von Wolfgang Heuer in Horb wird nicht nur einigen Angeklagten in Erinnerung bleiben… Im Juni hatte ein Schöffengericht unter seinem Vorsitz zwei Ex-Manager dazu verurteilt, 142.500 Euro an gemeinnützige Organisationen in Horb und Umgebung zu zahlen.
Egal, ob ein Betrüger aus der Chef-Etage oder ein Kaufhaus-Dieb vor ihm saß – der Richter urteilte „ohne Ansehen der Person“. So sprach er kürzlich einen Unternehmer namentlich in der Position an, in der er vor ihm stand: als Straftäter. Ihn und seinen Geschäftsführer-Komplizen stellte er nicht nur wegen ihres Betrugs zur Rede, sondern auch aus ethischen Gründen – weil sie teilweise nur 7,30 Euro Stundenlohn zahlten.
Wäre Wolfgang Heuer Therapeut, so würde seine Methodik wohl als ganzheitlich bezeichnet. Angeklagten sagte und sagt er ungeschminkt ins Gesicht, was er über sie und ihre Lage denkt. Ein Mann, der betrunken Auto gefahren ist, musste sich folgendes anhören: „Alleine kriegen Sie‘s nicht hin! Sie haben jede Selbstachtung verloren. Wenn Sie weiter saufen, werden Sie ein Fall für die zwangsweise Unterbringung.“ Sein Appell: „Sie müssen Deutsch lernen.“
Richter Heuer widmet sich vor Gericht nicht nur den Straftaten, sondern auch ihren Ursachen. Es geht um Alkoholsucht, Geldgier, mangelhafte Integration, „charakterliche Verwahrlosung“ und etwas allgemeiner: um „traurige Geschichten“. Einen Schläger, der sein Opfer gegen den Kopf getreten hatte, schickte er fünf Monate länger ins Gefängnis, als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Einer Mutter mit vier Kindern, der trotz privater Pleite eine Gastwirtschaft angedient worden war, hielt er zugute, dass sie „alles andere als eine typische Betrügerin“ sei. Die beantragte Haftstrafe zur Bewährung verhängte er nicht, sondern nur eine Geldstrafe am unteren Limit: 500 Euro.
Porsche- und Mercedes-Fahrern, die als Verkehrs-Rowdys auffielen, entzog er den Führerschein. Der Bahn AG wies er in einem Verfahren gegen einen Schwarzfahrer eine mathematische Entgleisung nach: Sie hatte einen „Realschaden“ geltend gemacht, der um ein Mehrfaches höher lag als die Fahrkartenpreise. Einen Facharzt im Zeugenstand, dessen Praxis eine sichere Bank zu sein schien, entlarvte er als Wucherer, weil er einen Kredit zu einem Zinssatz von 20 Prozent vergeben hatte. Und einem „Hartz IV“-Empfänger, der mit einer Eisenstange auf einen Nachbarn losgegangen war, wies der Richter nebenbei nach, dass er früher gar nicht so mittelos war… – ehe er sein Haus an seine Söhne verschenkt hatte, um hernach eine Wohnung der Sprösslinge anzumieten: auf Staatskosten.
Das alles gelang Wolfgang Heuer mit einer Verhandlungsführung, die nicht die kleinste Unklarheit duldet. Dank seiner tiefschürfenden Frage-Technik traten Ermittlungs-Pannen genauso zutage wie die mangelhafte personelle und technische Ausstattung der Polizei. Letztere führte im Verfahren gegen einen Kinderporno-Besitzer zu zeitlichen Verzögerungen, die dem Angeklagten eine Strafmilderung einbrachten. Einen anderen Pädophilen überraschte der Richter, indem er den Prozess unterbrach, um die Polizei noch einmal seine Wohnung durchsuchen zu lassen: Gefunden wurden CDs mit „Kinderpornos der übelsten Sorte“.
Ein besonderes Augenmerk hat der Amtsgerichts-Direktor auf jugendliche Straftäter gerichtet, „um ihnen klar zu machen, wo das hinführt“. Die Jugendarreste, die in Horb gebucht wurden, stiegen unter seiner Regie sprunghaft. „Die Jugendlichen bleiben uns ja lange erhalten – deshalb müssen wir möglichst früh Grenzen setzen.“ Dementsprechend nutzte er eine „Woche der Justiz“ nicht nur dazu, um Schülern den Beruf des Richters vorzustellen… Als ihm ein Jugendlicher sagte, dass er sich „eine Aprilia“ kaufen wolle, entgegnete ihm Wolfgang Heuer: „Die kann man gut frisieren – sowas wissen wir.“ Und wer mehrfach erwischt werde, dessen Mofa werde eingezogen – und vom Staat verkauft.
Der scheidende Amtsgerichts-Direktor wird sich auch weiterhin um Horber Fälle kümmern: Um jene, die in der Berufung ans Rottweiler Landgericht gehen, wo er seit Montag als Vorsitzender Richter tätig ist. Seine bisherigen Geschäfte übernehmen die Richterin Dr. Anne-Katrin Rückert und der Richter Reinhard Geiser kommissarisch. Wolfgang Heuer: „Ich habe mich in Horb sehr wohlgefühlt.“
Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik