Wenn Bürger entscheiden
Veröffentlicht in: Berichte, Demokratie
Windpark im Waldgebiet „Großer Hau“ – ja oder nein? In dieser Frage könnte ein Bürgerentscheid in Horb herbeigeführt werden. Oder?
Im Bereich der Bauleitplanung sei ein Bürgerentscheid nicht möglich, sagte Reinhard Hackl vom Verein „Mehr Demokratie“ bei der Grünen-Kreisversammlung am Mittwoch in Horb. In Simmersfeld habe es aber trotzdem einen Bürgerentscheid zum Thema Windkraft gegeben: „Es geht, wenn man will.“ Wenn die Stadtverwaltung oder der Oberbürgermeister das wolle. Grundsätzlich könne auch der Gemeinderat einen Bürgerentscheid durchsetzen, sagte er. Dafür brauche er aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit, erklärte Hackl, der Vorstandssprecher von „Mehr Demokratie“ in Baden-Württemberg ist.
Seit sie die Landesregierung bilden, haben es Grüne und SPD nicht mehr so wichtig, die rechtlichen Voraussetzungen für Bürgerentscheide zu vereinfachen, wie Reinhard Hackl sagte. Die frühere Horber Stadträtin der Offenen Grünen Liste, Kristina Sauter, konnte es durchaus „verstehen, dass die Landesregierung vorsichtig und zurückhaltend“ geworden sei – nach dem Volksentscheid über das Bahnprojekt „Stuttgart 21“, dessen Ausgang sie auf eine nicht ausreichende Aufklärung zurückführte. Außerdem erwähnte sie die Nationalpark-Debatte. Kristina Sauter: „Ein Volksentscheid ist für mich der letzte Rettungsanker.“ Idealerweise würden Konflikte vorher in einem Dialog gelöst. Was die Diskussion über einen Windpark im „Großen Hau“ betreffe, habe sie jedoch den Eindruck, dass die „Initiative Rexingen“ der Stadtverwaltung mit einem „abgrundtiefen Misstrauen“ gegenübertrete. „Deshalb tritt die Diskussion etwas auf der Stelle.“
Grünen-Kreisvorsitzender Marc Vogt widersprach. Für ihn sei „ein Bürgerentscheid nicht nur der letzte Notnagel“ – er müsse generell möglich sein. Und bei der Mitbestimmung sei „die frühzeitige Information eminent wichtig“. Im Falle der Horber Windpark-Planung habe ihm der Rexinger Bürger Reiner Klinger gesagt, dass nach der Veröffentlichung des „Windatlas“ für Baden-Württemberg keiner in Rexingen gewesen sei, um darauf hinzuweisen: „Leute, auf Euch könnte etwas zukommen.“ An anderen Orten, wo Bürger frühzeitiger beteiligt worden seien, würden sie sich teilweise finanziell an Windenergieanlagen beteiligen, sagte Marc Vogt.
„Eines muss allen Grünen klar sein“, sagte der Horber Stadtrat Cihan Polat – wenn die Forderungen von „Mehr Demokratie“ umgesetzt würden, „dann bedeutet das, dass in Rexingen kein Windpark entstehen kann“. Nach diesem Demokratieverständnis müsse man nämlich – so folgerte er – trotz der Eingemeindung Rexingens sagen, dass ein Windpark nicht gebaut werden könne, wenn die Mehrheit vor Ort dagegen sei. Also auch dann, wenn es stadtweit eine andere Mehrheit geben sollte. Und da es bei jedem Projekt Gegner gebe, laufe die Politik (die oft ohnehin nicht richtig voran komme) Gefahr, „dass kein Projekt mehr möglich ist“.
Diese Angst habe er früher von der CDU gehört, sagte Reinhard Hackl, und „jetzt ab und zu von Grünen“. Er sagte, dass der Gotthard-Basis-Tunnel in der Schweiz, der mit drei Volksentscheiden verbunden gewesen sei, schneller vorangekommen sei, als die deutsche Zufahrt über die Rhein-Schiene – ohne Bürgerentscheid.
Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horb