Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Als ein Ast zu fallen drohte…

Veröffentlicht in: Berichte, Sonstiges

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…fiel der ganze Baum dem Denkmalschutz zum Opfer – und dabei auf das Denkmal

 

Ein Ast einer städtischen Eiche hat anno 2011 offenbar die Friedhofskapelle in Mühringen bedroht. Die Stadt Horb beauftragte daher das Kreisforstamt und jenes zwei Unternehmer, den ganzen Baum zu fällen – und jener fiel auf die denkmalgeschützte Kapelle. Gebäude- Eigentümerin Iris Freifrau von Podewils versucht seit knapp zwei Jahren, den finanziellen Schaden ersetzt zu bekommen.

Mühringen/Rottweil/Stuttgart. Im Jahr 2006 hat die Familie von Podewils das Dach der Mühringer Friedhofskapelle sanieren lassen. Der Bildechinger Steinmetz Jürgen Poppitz hat unter anderem eine Kreuzblume „wunderschön restauriert“, wie Iris von Podwils erzählt. Um das Werk nicht zu gefährden, hat sie die Stadtverwaltung auf einen Ast aufmerksam gemacht, der „nicht mehr gesund“ gewesen sei.

Was folgte, ist in einem Urteil des Landgerichts Rottweil vom 26. Juni 2012 nachzulesen: „Die Stadt Horb wandte sich daraufhin an das Landratsamt Freudenstadt als Untere Forstbehörde, die für die Stadt Horb Arbeitsaufträge an die Beklagten erteilte“ – einer von ihnen wurde „mit Sicherungsmaßnahmen beauftragt“. Am 21. März 2011 machten sich die beiden Forstunternehmer an die Arbeit: „Dabei stürzte die Eiche auf die Friedhofskapelle und beschädigte diese erheblich. Der Umfang der Schäden ist zwischen den Parteien streitig.“

Iris von Podewils sagt, das Dach sei kaputt gewesen, ein Fenster habe glitten und im Fundament gebe es Risse wie nach einem Erdbeben. Sie befürchtet, dass sich das Gruftgewölbe unter der Kapelle gesenkt haben könnte. Vor der Zivilkammer des Landgerichts machte sie einen Schaden von 24 853,93 Euro geltend und „außergerichtliche Anwaltskosten“ in Höhe von 1196,43 Euro. Hinzukommen könnten weitere Schäden, da die Gruft noch nicht entsprechend untersucht worden sei, erläuterte sie gegenüber der SÜDWEST PRESSE.

Unternehmer als Verwaltungshelfer

Das Landgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Mühringerin den Schaden von den Forstunternehmern nicht ersetzt bekommen kann. Die Eiche habe zum Wald gehört und „die eigentliche Bewirtschaftung verbleibt im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Körperschaft“. Aber: „Ob vorliegend die Gemeinde Horb nach Amtshaftungsgrundsätzen haftet, war nicht zu entscheiden.“ Ebenso wenig sei darüber zu befinden gewesen, ob eine Haftung des Landes Baden-Württemberg (vertreten durch den Landkreis Freudenstadt) „wegen Mängeln der Organisation, der Leitung und der Überwachung der Forstbetriebsarbeiten“ in Betracht komme. Bezüglich der Forstunternehmer stellte das Gericht fest: „Sie sind als Verwaltungshelfer und damit als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen.“

Im Berufungsverfahren hat der Landkreis – nachzulesen im Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart – ausgeführt, dass den Forstunternehmern vorgegeben worden sei, „einen Seilzug sowie eine Umlenkrolle einzusetzen“. Zudem sei ihnen auferlegt worden, mit den Arbeiten zu warten, bis der zuständige Sachbearbeiter des Forstamts vor Ort sei. Daran hätten sich die Beklagten nicht gehalten.

„Gegebenenfalls eine Pflichtverletzung“

Das Oberlandesgericht führte dazu aus: „Dass sich die Beklagten nicht an diese Weisungen gehalten haben sollen, stellt gegebenenfalls eine Pflichtverletzung dar, vermag jedoch nichts an deren Stellung als Verwaltungshelfer zu ändern.“ Die Berufung der geschädigten Kapellenbesitzerin sowie der Stadt Horb und des Landkreises Freudenstadt (die als „Streithelfer“ der Klägerin auftraten) gegen das Urteil des Landgerichts Rottweil wurde daher vom Oberlandesgericht am 4. Februar 2013 zurückgewiesen. Außerdem steht in besagtem Beschluss: „Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.“

Iris von Podewils sieht sich in der Folge – unter anderem – mit den Anwaltskosten der beiden Forstunternehmer konfrontiert, wie sie auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE mitgeteilt hat. Sie rechnet gegenwärtig damit, dass sie aufgrund der gerichtlichen Auseinandersetzung 7000 Euro bezahlen muss – also zusätzlich zu den Reparaturkosten, die sie seit rund zwei Jahren trägt. Wenn weiterhin keine außergerichtliche Einigung zustandekomme, die sie von Anfang an bevorzugt hätte, müsse sie wohl juristisch von vorne beginnen, fürchtet die Mühringerin. Sie wundert sich, wie unwichtig öffentlich-rechtlichen Körperschaften der Denkmalschutz sei, wenn es an ihnen wäre, den Schaden an einem Denkmal zu begleichen. Iris von Podewils hält es „für den falschen Weg, dass derjenige, der den Schaden hat, auch noch klagen muss“. Die Bürgerin hätte sich von der Stadtführung mehr Engagement erwartet, um das Problem außergerichtlich lösen zu können.

Bürgermeister: „Kein Verschulden der Stadt“

Ob die Stadt Horb die Kosten jetzt wenigstens übergangsweise übernimmt, bis der Sachverhalt juristisch geklärt ist? Bürgermeister Jan Zeitler sagt auf Anfrage der SÜDWEST Presse: „Ich kann an der Stelle nicht agieren.“ Die Stadt habe einen Beförsterungsvertrag mit dem Land abgeschlossen. Auf dieser Basis sie das Kreisforstamt tätig geworden. „Wir als Stadt sind der Meinung, dass wir alles richtig gemacht haben.“ Die Verwaltung könne nicht „in vorauseilendem Gehorsam eine Zahlung leisten, obwohl kein Verschulden der Stadt Horb vorliegt“ – es handle sich schließlich um Steuergelder.

Und das Landratsamt Freudenstadt? Die Pressestelle bedauert: „Leider hat das Landgericht offengelassen, ob sich ein möglicher Amtshaftungsanspruch gegen die Stadt Horb oder das Land Baden-Württemberg richten würde, da es auf die Entscheidung dieser Fragestellung in dem erstinstanzlichen Verfahren nicht ankam.“ Auch das Oberlandesgericht habe „keine Aussage darüber getroffen, ob sich ein solcher Amtshaftungsanspruch gegen die Stadt Horb oder das Land richtet“. Zur Argumentation von Bürgermeister Zeitler gegenüber der SÜDWEST PRESSE führt das Landratsamt aus: „Auf den Beförsterungsvertrag zwischen der Stadt Horb und dem Kreisforstamt haben weder das Landgericht noch das Oberlandesgericht in ihren jeweiligen Entscheidungen Bezug genommen. In beiden Verfahren wurde dieser Vertrag von der Stadt Horb nicht thematisiert.“ Abgesehen davon sei anzumerken, „dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht bedeutet, dass eine Haftung der beiden Forstunternehmer gänzlich ausscheidet“. Das Landratsamt erklärt: „Sollte eine außergerichtliche Einigung nicht erfolgen und die Stadt oder das Land von der Klägerin nach Amtshaftungsgrundsätzen in Anspruch genommen werden können, so hat die haftende Körperschaft ihrerseits einen Regressanspruch gegen die Forstunternehmer. In letzter Konsequenz verbleibt die Haftung also bei den Unternehmern.“

Kreisforstamt „lediglich als Vermittler“ tätig

Der Landkreis sieht seinerseits keine Zahlungspflicht: „Geht man mit den vorliegenden gerichtlichen Entscheidungen davon aus, dass der Klägerin ein Amtshaftungsanspruch zusteht, so wäre dieser nach Auffassung des Landratsamtes gegen die Stadt Horb zu richten, da das Kreisforstamt vorliegend lediglich als Vermittler der Forstarbeiten im Auftrag und auf Veranlassung der Stadt aufgetreten ist. Nach unserer Rechtsauffassung wurden die Unternehmer folglich für und im Namen der Stadt tätig. Ein Amtshaftungsanspruch gegen das Land scheidet aus unserer Sicht daher aus. Eine Haftung des Landes wegen mangelnder Organisation beziehungsweise Überwachung der Forstarbeiten ist ebenfalls nicht erkennbar, da die beiden Forstunternehmer durch das Kreisforstamt sorgfältig ausgewählt und angewiesen wurden.“

Das Landratsamt betont, dass es „weiterhin bemüht“ sei, „eine außergerichtliche Lösung zu finden, um die Angelegenheit zu einem baldigen Abschluss zu bringen und weitere Verfahren zu verhindern“. Schon zur Vermeidung des Berufungsverfahrens habe der Prozessvertreter des Landratsamts der Stadt Horb im Juli 2012 einen Einigungsvorschlag gemacht. „Eine Einigung konnte in der Folge jedoch nicht erzielt werden.“ Und: „Während des Berufungsverfahrens ist das Landratsamt, im Bestreben eine Einigung zu finden, sowohl auf die Stadt Horb als auch auf deren Versicherung zugegangen. Eine gütliche Einigung ist aber auch hier nicht zustande gekommen.“  Das Landratsamt beabsichtigt, nach Vorliegen des Beschlusses „nochmals an die Stadt Horb beziehungsweise deren Versicherung heranzutreten, um eine einvernehmliche Lösung zu finden“. Das Landratsamt betont: „Wir bedauern ausdrücklich, dass die schwierige Rechtslage dazu führt, dass die geschädigte Familie so lange auf die Begleichung ihres Schadens warten muss. Wir bitten jedoch um Verständnis dafür, dass das Landratsamt nicht eintreten kann, solange nicht rechtlich einwandfrei feststeht, dass es für den Schaden aufkommen muss.“

Von den Forstunternehmern kann Iris von Podewils die Reparaturkosten nicht bekommen, Stadt und Landkreis sehen sich nicht in der Zahlungspflicht. Unstreitig ist, dass die Stadt- und Landkreis-Bürgerin auf keinen Fall für den Schaden verantwortlich ist. Trotzdem soll sie ihn noch länger tragen?

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Mittwoch

6

März 2013

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb