Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Ich bin Feuer und Flamme

Veröffentlicht in: Features, Sonstiges

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PDFOriginalartikel aus der Südwest Presse Horb als PDF


Ein altes Feuerwehr-Auto stellt sich vor

 

Hallo erst mal! Normalerweise hört und seht ihr von mir nicht viel. Höchstens, wenn es brennt. Ich bin nämlich ein Feuerwehrauto und zwar ein sehr, sehr altes. Genauer gesagt bin ich das älteste im Sulzer Stadtgebiet. Na ja – ich gebe zu, das ist jetzt ein bißchen geflunkert. Ist doch ein Bergfelder Kollege von mir noch sechs Jahre älter. Dafür ist er aber demnächst reif fürs Altenteil. Ich hingegen bin derart gut in Schuß, daß ich gar nicht ans Aufhören zu denken brauche. Obwohl ich wesentlich mehr Einsätze auf dem Buckel habe. Vor kurzem hat sogar mein Tacho schlappgemacht.

Geboren bin ich übrigens 1969 in irgendeinem Mercedes-Werk. Mein Allradantrieb wurde mir dort in die Wiege gelegt. Wenn’s sein müßte, könnte ich damit sogar 156 Pferden die Stirn bieten. Ursprünglich sollte die Sulzer Stützpunktwehr ja meinen kleineren Bruder bekommen. Aber der war halt nichts Halbes und nichts Ganzes. Ich bin jedoch – bei aller Bescheidenheit – ein Superfahrzeug. Das meint auch mein Pfleger, der Stadtbrandmeister Eugen Heizmann. Er möchte mich so lange, wie es irgendwie geht, am Leben halten. Kein Wunder bei der Jugend von heute! Von meinem Schlag ist da kein einziges Fahrzeug mehr darunter. Ich bin nämlich ein absoluter Allrounder. Mein Familienname: „GW II Öl / SW“. Das heißt, ich bin Geräte- und Schlauchwagen in einem und tauge gleichzeitig zur Ölbekämpfung. Da kann ich so Geschichten erzählen!

Damals vom Ölunfall in Leinstetten zum Beispiel. Zwei Kammern Dieselkraftstoff flossen da direkt in die Glatt. Ich stand damals am Stauwehr in Bettenhausen und habe Schlimmeres verhindert. Dank meiner Pumpe übrigens – der stärksten in Sulz überhaupt. Die fördert stolze 2 000 Liter pro Minute und ist bei einem Brand die halbe Miete. Aber was wäre ich ohne meinen langen Schlauch? Mit ihm können zwei Feuerwehrleute mit mir in Windeseile eine Wasserversorgung aufbauen. 1 200 Meter Schlauch von der Pumpe bis zum Brandherd – das ist doch mal etwas. Oder? Weitere 300 Meter können sie zusätzlich in Handarbeit rausholen. Aus diesem Grund werde ich auf meine alten Jahre hin vorwiegend als Schlauchwagen eingesetzt.

Früher, als ich noch jünger war, brauchte mich die Sulzer Feuerwehr jedoch überall. Bei Bränden, bei Ölunfällen und auch bei Verkehrsunfällen. Die notwendigen Rettungsgeräte sowie die Seilwinde dafür habe ich immer noch an Bord. Nicht zu vergessen meinen Dachlautsprecher. Der war erst kürzlich beim Telefonausfall Gold wert. Und dank meinem Lichtmast kann meine Besatzung sogar nachts mit mir arbeiten. Wenn’s dunkel ist, bin ich deshalb auch heute noch gefragt. Es sei denn, sie ziehen gerade einen jüngeren Kollegen vor.

Ob ich dann neidisch bin? Quatsch! Ich war ja selbst auch mal jung und weiß wie es ist, wenn man auf jeden Einsatz brennt. Ach, das waren noch Zeiten als ich vor 29 Jahren den Dienst angetreten habe. Das heißt eigentlich schon davor. Denn bevor mich irgendjemand offiziell übergeben konnte, habe ich meinen ersten Einsatz gefahren. Damals beim Großbrand des Möbelwerks Wössner in der Stuttgarter Straße. Nur nebenbei: Dessen Firmenleitung muß ich ziemlich überzeugt haben. Warum sonst wäre sie nach dem Brand in meine Nachbarschaft auf Kastell gezogen.

Das hätten allerdings viele andere wohl genauso gerne getan. Wenn ich da nur an den Großbrand auf Kloster Kirchberg denke oder das Viehhaus. Na ja – aber ich will Euch nicht länger mit meinen Großtaten langweilen. Ich wollte mich nur mal wieder in Erinnerung rufen. Im Alter braucht man halt von Zeit zu Zeit etwas Anerkennung. Also bis dann! Ich hoffe zwar nicht, daß wir uns bei einem Brand sehen – aber vielleicht bei einer Übung. Ich bin jedenfalls schon Feuer und Flamme.

Euer Feuerwehr-Oldtimer

Dienstag

18

August 1998

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Sulz