Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Das war ein Hammer!

Veröffentlicht in: Features, Justiz

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In Rohrdorf scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: Die Kinder sitzen nicht vor dem Fernsehen, sondern sie spielen auf der Gass‘ – was mitunter aber gefährlich sein und verletzende Folgen haben kann. Die zehn- und elfjährigen Jungs, die am Mittwoch vor dem Horber Amtsgericht als Zeugen ausgesagt haben, hatten noch keine der Gerichts-Serien im Fernsehen gesehen – aber einen richtigen Täter: den Hammerwerfer von Rohrdorf.

Siehst Du dort den alten Mann…? Er saß auf der Anklagebank und die Kinder kannten ihn– einen Landwirt, der sich im Umgang mit Bullen auskennt. Er wollte den Kindern nicht nur zeigen, wo der Hammer hängt, sondern er hat einen solchen geworfen – in Kopfhöhe eines zehnjährigen Jungen, der sich reflexartig den Arm vors Gesicht hielt und dadurch „nur“ einen Splitterbruch im Bereich des Handgelenks davontrug. Vier Wochen Gips waren die Folge – ab dem 19. März dieses Jahres. Die Krankengymnastik entfiel anschließend, weil der Bruch so gut verheilt ist.

Der Junge und seine Freunde hatten den alten Mann, wie die Gerichtsverhandlung ergeben hat, beschimpft. „Arschloch“ soll gefallen sein und „Motherfucker“– was wohl nicht als Erfolg des neu eingeführten Englisch-Unterrichts an Grundschulen zu verbuchen ist. „Des send halt Lausbuaba“, meinte der Angeklagte, der am fraglichen Tag weniger gelassen reagiert hatte. „Dia hen mi acht Dag g‘ärgret“, erzählte er. Die Jungs hatten in ihm offenbar ein leicht reizbares und daher dankbares Opfer gefunden. Wohl im vergangenen Jahr war es, als er mit Steinen in Richtung der Buben geworfen, aber nicht getroffen hatte. Mit dem Hammer zielte er besser„Sie send nochher nicht mehr komma“, zeigte er sich zufrieden.

Dieses Recht(fertigung)sverständnis versuchte der Richter dem Angeklagten in seiner Urteils-Begründung auszureden. „Wenn das anders ausgegangen wäre, dann wäre der Fall womöglich sogar vor einem anderen Gericht verhandelt worden“. Der Hammer war 300 bis 400 Gramm schwer und er hatte eine Spitze– ein so genannter Lattenhammer.

Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft bewertete der Richter den Fall – vor allem aufgrund der vorhergehenden Provokationen – als minderschwer. Die Folge war ein Strafmaß von drei Monaten Freiheitsstrafe statt sieben Monaten, wie sie die Staatsanwaltschaft gefordert hatte– ausgesetzt zur Bewährung. Denn– so merkwürdig das bei einem Senior klingt: Seine Sozialprognose war positiv. Fast 76 Jahre lang hatte er sich nichts zu Schulden kommen lassen: Kein Eintrag im Bundeszentralregister. Falls der Mann in den nächsten zwei Jahren nochmal mit Werkzeug werfen sollte, droht ihm das Gefängnis – oder falls er die 500 Euro an den Kinderschutzbund nicht bezahlt, die ihm das Gericht auferlegt hat.

Ob der Freiheitsstrafe erschrak der Angeklagte. In seinem „letzten Wort“ vor dem Urteil sagte er: „Wenn‘s aber uff Bewährung goht, isch‘s schau reacht.“

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Freitag

27

Mai 2005

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb