Andreas Ellinger

RESEARCH, ANALYSES AND REPORTING

Das falsche Tannenzäpfle

Veröffentlicht in: Features, Umwelt

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Hohe Berge, weite Täler – klare Flüsse, blaue Seen – dazu ein paar Naturschutzgebiete – alles wunderschön.“ Das Lied mit diesen Text-Zeilen mag manchem Jugendlichen von der Punk-Kapelle „Die Toten Hosen“ bekannt sein – um das Wissen über Pflanzen und Tiere in der heimischen Natur dürfte es indes schlechter bestellt sein. Das Problem dabei: „Man kann nur etwas erhalten und schützen, wenn man es kennt“, sagte Dieter Zuleger vom Kreis-Forstamt. Die Ausstellung „Bergwald – Gipfeltreffen der Natur“ in der Horber Kreissparkasse richtet sich auch und vor allem an Kinder und Jugendliche. Sie sollen sich das Wissen über ihre Umwelt buchstäblich reinziehen: An der letzten Schautafel müssen sie nämlich an Seilen ziehen, um den Leitspruch „Bergwald – ein Paradies für Wanderer“ lesen zu können.

Das Nicht-Wissen fängt beim „Tannenzapfen“ an, von dem jeder glaubt, er habe ihn schon einmal in Händen gehalten. Diese Illusion nahm Steffen Wagner vom Kreis-Forstamt und dem Naturschutzzentrum Ruhestein seinen Zuhörern, als er gestern in die Ausstellung eingeführt hat. Zapfen, die am Boden liegen, sind nämlich Fichten-Zapfen. Die – gleich einer Weihnachts- Kerze – senkrecht stehenden Tannenzapfen zerfallen hingegen auf dem Baum. Selbst auf dem viel getrunkenen „Tannenzäpfle“ ist das falsche Zäpfle abgebildet. Die Ausstellungs-Macher werden sich den Kasten des Horber Kreissparkassen-Chefs Holger Korneffel aber trotzdem schmecken lassen.

Fast noch begeisterter reagierte Steffen Wagner jedoch auf den echten Fichten-Zapfen, den Korneffel anbei überreichte. Denn damit lieferte der Banker dem Förster die Einleitung für seinen Ausstellungs- Rundgang. Der Zapfen aus dem Kinzigtal war nämlich von einem Fichtenkreuzschnabel bearbeitet worden. Und ein solcher Vogel hängt ausgestopft an einem Baumstamm in der Ausstellung. Mit seinem scherenartigen Schnabel hat er sich auf Zapfen spezialisiert. Er schneidet die Zapfenschuppen auf, um an die „sehr proteinreichen und schmackhaften Samen“ zu kommen, wie Wagner erklärte. Der Förster verglich die Vogel-Speise mit Pinien-Kernen, die seinen Zuhörern geschmacklich vertrauter zu sein schienen. „Man muss sich alles erarbeiten“, erklärte Steffen Wagner sein Ausstellungs-Konzept.

Die Besucher müssen sich die Puzzle-Stücke mit Informationen über den Bergwald suchen und zusammenlegen. Der Film im stilisierten Klein-Kino der Ausstellung über alte Berufe im Schwarzwald muss selbst gedreht werden – wenn auch nicht mit der Kamera, sondern an einem Rad. An der nächsten Station können die Besucher Wissenswertes über die „Jobs von früher“ nachschieben – an einer hölzernen Schiebe-Tafel. Als Beispiel sei der „Harzer“ genannt. Der ritzte einst die Baumstämme an und fing das Harz auf, um es unter anderem zu Wagenschmiere zu verarbeiten – die Anfänge einer einfachen chemischen Industrie.

Der Weg des Holzes vom Baum bis in den Baumarkt lässt sich bereits zu Beginn der Ausstellung nachvollziehen – in einem Bergwald- Ausschnitt, der gleich einer Modelleisenbahn- Landschaft gestaltet ist. Der Bergwald gilt als Rückzugsgebiet für Pflanzen und Tiere. Dieser Lebensraum sei jedoch nicht geschaffen worden, erklärte Wagner, sondern schlicht übrig geblieben. Auf den Flächen, die nicht bebaut, bewirtschaftet oder vom Vieh beweidet werden konnten, sind die Bäume stehen geblieben. In dieser Umwelt hat beispielsweise der Auerhahn Zuflucht gefunden. Er lebt dort, obwohl es ihm in den Bergwäldern etwas zu kühl sei, sagte Wagner. Einblicke in die Bergwälder bieten sich übrigens bis in einen Baumstamm hinein. Da lässt sich auf Höhe von Kinder-Augen ein Türchen öffnen. Zum Vorschein kommt eine Fledermaus, die hier den Tag über schläft.

Einer Besichtigung der Ausstellung könnte eine Exkursion mit einem Förster durch den Wald folgen – so empfahl der Leiter des Naturschutz-Zentrums auf dem Ruhestein, Dr. Wolfgang Schlund.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Dienstag

14

Juni 2005

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb