Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Ideenreich zur Rentner-Armut

Veröffentlicht in: Kommentare, Politik

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Immer mehr ältere Menschen, immer weniger junge Menschen – und noch weniger Jobs, deren Bezahlung ausreicht, um das eigene Auskommen, Kinder und Rentenbeiträge in ausreichender Höhe zu finanzieren.

Diese Entwicklung wird gerne als „Demographischer Wandel“ zusammengefasst – sie führt dazu, dass sich der Staat mit den Rentenzahlungen immer schwerer tut.

Der FDP-Europa-Abgeordnete Michael Theurer hält deshalb „schmerzliche Einschnitte“ bei den Renten für unverzichtbar. Meint er damit eine Senkung der Renten oder eine weitere Erhöhung des Renteneintritts-Alters? Beides nicht – er spricht sich für eine Flexibilisierung des Renteneintritts-Alters aus. Diese Flexibilisierung soll aber dazu führen, dass die Bürger später in Rente gehen – zumindest im Durchschnitt. Sonst wäre nichts gespart. Und es muss gespart werden, wie Theurer erklärt.

Die Rechnung des FDP-Politikers: Von den Ausgaben im Bundeshaushalt (gut 250 Milliarden Euro) seien 160 Milliarden Euro für Soziales bestimmt – davon 80 Milliarden Euro für die Rente. Den Rententopf dauerhaft mit Steuermitteln aufzufüllen sei unmöglich. Michael Theurer betont: „Das ist die unbequeme Wahrheit.“

Wie auch immer die Flexibilisierung konkret aussehen mag – sie wird voraussichtlich dazu führen, dass viele Rentner Einbußen haben. Schon bis 65 halten immer weniger Arbeitnehmer durch, weil die Arbeitsbedingungen immer härter werden: Überstunden, Stress, Job-Angst,… Wer früher schlapp macht, bekommt Abzug. Die Erhöhung des Renteneintritts-Alters auf 67 ist deshalb vor allem ein Renten-Kürzungsprogramm.

Die Rentner zu schröpfen, reicht aber möglicher Weise nicht aus, um die Folgen des demographischen Wandels in den Griff zu bekommen. Das Land Baden-Württemberg hat vorsorglich eine Staatsrätin im Staatsministerium installiert, die sich um dieses Thema kümmert: Professorin Dr. Claudia Hübner. Sie war gestern im Landkreis Freudenstadt und machte in einer Pressemitteilung die Zuständigkeiten deutlich: „Alle Handlungsstrategien hinsichtlich des demographischen Wandels müssen von den Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg ausgehen.“ Eine zusätzliche Last für die Kommunen? Die Staatsrätin meint: „Jede Kommune in jedem Landkreis ist betroffen und hat die Chance, diese Entwicklung positiv zu beeinflussen und aktiv zu gestalten. Ich ermuntere alle Gemeinden im Land, in diesem Wettbewerb um die besten Ideen mitzumachen.“ Horb ist da gut dabei. Auf die scherzhaft gemeinte Idee der Staatsrätin, sinkenden Geburtenzahlen mit dem Ausschalten des Lichts entgegenzuwirken, ist man im Gemeinderat nämlich längst gekommen. Altbürgermeister Gerhard Munding erklärte sofort: „Wir machen‘s um 12 aus…“

Und was macht das Land? Claudia Hübner: „Das Land kann flankierend notwendige Rahmenbedingungen zur Bewältigung demographischer Entwicklung schaffen – das ist mein Ziel.“ So schön diese Aussage klingt, so wenig sagt sie aus. Was soll flankiert und vor allem was finanziert werden…?

Konkreter wurde die Staatsrätin in der Frage, was jeder Einzelne tun kann, um den demographischen Wandel zu bewältigen: „Wer in guter Balance zwischen Familie und Beruf seine Kinder erziehen oder ältere Angehörige pflegen kann, bringt auch dem Unternehmen Rendite, ist motiviert, loyal und leistungsbereiter.“ Aha. Demnächst werden wahrscheinlich Eier legende Wollmilchsäue eingebürgert… Tierisch gut, diese Idee.

Zudem birgt der demographische Wandel Geschäfts-Ideen: „Ältere sind ein entscheidendes Potenzial unserer Gesellschaft, auch in wirtschaftlicher Hinsicht“, sagte Claudia Hübner. Bleibt zu hoffen, dass sich der gemeine Rentner als Wirtschaftsfaktor durch die „Rente ab 67“ und die Theurer‘schen Flexibilisierungs-Pläne nicht zu sehr verschlechtert… – wenn der politische Ideen-Reichtum zu Rentner-Armut führt.

Andreas Ellinger, Südwest Presse, Horber Chronik

Freitag

16

Oktober 2009

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb