Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Nazis drohen Kameraden

Veröffentlicht in: Berichte, Gesellschaft

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Nach dem Fund eines toten Babys fordert die Szene den Tod der Eltern

Das Horber Paar, bei dem vor zwei Wochen ein totes Baby im Gefrierschrank entdeckt worden ist, verkehrte in der Neonazi-Szene. Bisherige „Kameraden“ machen den Verlobten der 20-jährigen Mutter mitverantwortlich für die Tat. Einige fordern jetzt seinen Tod – und den Tod seiner Verlobten.

Horb. „Da muss was passieren, und zwar so, dass auch der Letzte in der Bevölkerung sieht, dass wir sowas nicht dulden“, schreibt ein Schweizer Neonazi namens Matze, der im Internet vor einer Hakenkreuz-Flagge posiert. „An die Wand mit Ihnen!!!! Heil Hitler!“ Und er fügt hinzu: „Die Alte sitzt im Vollzugskrankenhaus Hohen Asperg.“

Neonazis, die gerne mit Kampagnen wie „Todesstrafe für Kinderschänder“ um Sympathien im bürgerlichen Lager buhlen, haben entsetzt reagiert. Erstens, weil das Baby tot ist. Zweitens, weil sie um einen weiteren Image-Schaden für ihre Szene fürchten. Schließlich kommt es immer wieder vor, dass „Kameraden“ Verbrechen begehen, die nicht mit den angeblich hehren Idealen der Neonazis vereinbar sind (siehe auch „Die Gewalt unter Neonazis“).

Die erste Reaktion von bisherigen „Kameraden“ des Horbers fiel so aus, dass sie die Schuld bei seiner 20-jährigen Verlobten suchten: „Niemand hat die Schwangerschaft von J. bemerkt… Niemand!“ Das schrieb eine Sächsin aus Baden, die schon bei dem Horber zu Besuch war – und das Wohngebiet des „Kameraden“ in Medien-Berichten über das tote Baby erkannte. Der Horber sei von vielen vor der neuen Lebensgefährtin gewarnt worden – andere Foren-Nutzer bestätigten das. „Ein bisschen Dachschaden hatte sie schon immer“, schreibt das „Sachsenmädel“ über die Verlobte des Horbers. Jene habe sich selbst als „nationale Sozialistin“ bezeichnet, „die selber noch zu mir gesagt hat, dass alle Kindsmörder erschossen gehören“.

Die Schuld schien also bei der 20-jährigen Schweizerin zu liegen, auf die der Horber Kamerad hereingefallen sein sollte… – bis sich ein Mädel mit dem Nickname „Hate Princess“ (Hass-Prinzessin) zu Wort meldete. Sie stellte sich als „die Ex vom Arschloch“ vor. Sie meinte den Horber und sagte über ihn: „Er hat mir letztes Jahr das selber gesagt, dass sie schwanger ist. Das war im August. Ich dachte er macht einen Scherz, um mich zu ärgern.“ Zu ärgern? Die junge Frau, die sich in Mini-Rock und Springerstiefeln präsentiert, behauptet, sie habe eine Tochter von dem Horber – und jener habe noch weitere Kinder. Sie ziehe das Kind alleine auf. Die Mutter des Horbers habe ihr nach der Geburt „ein paar Sachen“ gekauft, ihr Windeln zukommen lassen und auch darüber hinaus Hilfe angeboten.

Die junge Schweizerin überlegt, ob der Horber seiner Verlobten wegen der Schwangerschaft gedroht haben könnte: „Wie oft hat W. mir gedroht, gesagt: ,Treib ab, ich will kein Kind, bringe dich um, ich schlitze dich auf.‘“ Doch sie habe sich nicht einschüchtern lassen.

Andere „Kameraden“ bestätigten, dass der Horber von der Schwangerschaft gewusst habe und dass er keine Kinder wollte. Auch „Sachsenmädel“ zog seine Unschuldsvermutung zurück. Sie habe erfahren, „dass er definitiv von der Schwangerschaft wusste und ziemlich sicher auch mit beteiligt gewesen sein muss…“ In einem Chat, wo sich der Horber nach Bekanntwerden des Baby-Funds unter dem Namen seiner Verlobten eingeloggt haben soll, will ihn die Sächsin auf das tote Baby angesprochen haben. Seine Antwort habe gelautet: „Es ist vieles an Übertreibung dabei. Aber ich kann nichts sagen.“ Und die Frau fügt hinzu: „Man weiß auch, wie W. zum Thema eigene Kinder stand.“ Und: „Ich selbst weiß auch, dass er den Arm gegenüber Frauen erhebt. J. durfte es auf Feten und so weiter ab und an mal spüren. Und da W. keine weiteren Kinder wollte und auch den Engsten erzählte, wie er zu Kindern steht, ist kein Zweifel, dass er an der Tat aktiv mitwirkte oder/beziehungsweise J. unter Druck setzte.“ Ihr Fazit: „Todesstrafe wäre das Beste.“

Ob diese Anschuldigungen zutreffen, müssen Polizei und Staatsanwaltschaft klären. Die Ermittler haben in der vergangenen Woche ein Rechtshilfe-Ersuchen an die Kollegen in der Schweiz gestellt. Sie sollen klären, ob die Verlobte des Horbers wiederholt schwanger war und auch ein weiteres Kind zur Welt gebracht hat. Das sei „für die Beurteilung der Einlassungen der Frau“ wichtig, erklärte der Rottweiler Presse-Staatsanwalt. Denn die Frau hatte bisher behauptet, zum ersten Mal schwanger gewesen zu sein und von der Schwangerschaft nichts bemerkt zu haben.

Nach Informationen aus der Neonazi-Szene war oder ist der Horber der Sänger der Band „Sturmpropheten“. Mehrere Bilder der Band sind der SÜDWEST PRESSE in der vergangenen Wochen zugespielt worden.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

 

Siehe auch:

Zum Schutz von Neonazis?

Die Gewalt unter Neonazis

Samstag

7

Juni 2008

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb