In den Fußstapfen des Grafen Zeppelin
Veröffentlicht in: Berichte, Technik
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Jürgen Fecher erprobt erstes Luftschiff des neu gegründeten Unternehmens mit legendärem Namen
Ein gebürtiger Sulzer hat zusammen mit seinen Kollegen bei der Zeppelin Luftschifftechnik GmbH in Friedrichshafen das Erbe des Grafen Zeppelin angetreten. Erst 1993 neu gegründet, ist Jürgen Fecher vor gut drei Jahren als Flugversuchsleiter zur Firma gestoßen.
Friedrichshafen. Werkstattflüge wie der am Freitag gehören für Jürgen Fecher zum beruflichen Alltag. Zusammen mit zwei Piloten ist er zuerst zur Insel Reichenau, dann nach Lindau und wieder nach Friedrichshafen zurückgeflogen. Der Bodensee bietet sich für sie als ideales Versuchsterrain an. Zum einen ist darüber die Atmosphäre günstig, und zum anderen stört es dort niemanden. Dieses Mal haben sie unterwegs verschiedene Manöver ausprobiert, die über die Flugeigenschaften Auskunft geben. Das erste Luftschiff der neu gegründeten Tochter des Zeppelin-Konsortiums befindet sich nämlich in der Erprobungsphase.
Der 41jährige Diplom-Ingenieur, der in Sulz aufgewachsen und bis zum Abitur zur Schule gegangen ist, zeichnet bei Zeppelin für den Flugversuch und die Versuchstechnik verantwortlich. Schon bei seinem ersten Arbeitgeber, einem Hersteller von Kleinflugzeugen, hat er in diesem Bereich gearbeitet. Dort fing er 1986 nach seinem Studium der Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart an. Zuerst arbeitete er in Baden-Baden, anschließend im Raum Sigmaringen, wo er noch heute wohnt. Diese Firma ist jedoch Konkurs gegangen.
Gerade in dieser Zeit stieß Jürgen Fecher auf das „reizvolle Angebot“ der Zeppelin Luftschifftechnik. Nach drei Jahren der Entwicklung ging es bei ihr 1996 allmählich ans Testen ihres völlig neuartigen Luftschiffes. Es bietet Platz für zwei Piloten und zwölf Passagiere und unterscheidet sich von den Voraussetzungen für eine Musterzulassung her nicht wesentlich von einem Kleinflugzeug.
Diese Aufgabe war für den Diplom-Ingenieur „ein gefundenes Fressen“. Da an keinen Arbeitsvertrag mehr gebunden, konnte er diese Chance wahrnehmen. Seither ist sein Arbeitsplatz in der riesigen Produktionshalle und dem benachbarten Bürogebäude direkt am Friedrichshafener Flughafen angesiedelt. Sein insgesamt neunköpfiges Team ist international bei den Testflügen wird an Bord der Gondel englisch gesprochen.
Rund 300 Flugstunden im Zeppelin Neue Technologie, kurz Zeppelin NT, hat die Test-Crew hinter sich. Etwa noch einmal so viele werde sie brauchen, um die Musterzulassung zu bekommen, schätzt Jürgen Fecher. Nachdem der erste Flug bereits am 18. September 1997 war, hat sich die Flugrate inzwischen freilich deutlich erhöht. Jürgen Fecher: „Noch sind wir aber nicht so weit, dass alles funktioniert.“ Erst wenn das der Fall ist, können die Ingenieure das System einfrieren und von der Erprobungs- in die Nachweisphase übergehen. Dabei müssen sie anhand der Bauvorschriften zeigen, „dass wir sie erfüllen“ und das im Flug nachweisen. Jürgen Fecher geht nunmehr von einem weiteren Jahr aus, bis das Luftschiff alle Anforderungen erfüllt hat und die Musterzulassung bekommt.
Ob es bis dahin nicht gefährlich ist, mit dem Luftschiff zu fliegen? „Nicht gefährlich im klassischen Sinne“, antwortet Jürgen Fecher. „Das ist ja kein Raketenstart.“ Im Wesentlichen sei das Risiko in etwa gleich wie beim Erproben eines Flugzeuges. Vielleicht sei das Luftschiff aufgrund seines großen Ballons sogar sicherer. Da es vor allem langsamer ist als ein Flugzeug, bleibt der Besatzung mehr Zeit zum Reagieren. Und eine Katastrophe à la „Hindenburg“ kann ohnehin nicht mehr passieren. Längst fliegen die Luftschiffe nämlich mit dem nicht brennbaren Gas Helium. Alles andere würde überhaupt nicht genehmigt, sagt Jürgen Fecher. Größere Probleme sind bisher denn auch nicht aufgetreten. Die Entwicklung verläuft nach Plan.
Während das erste Exemplar also noch in der Erprobungsphase ist, baut die Firma bereits am zweiten. Bis zum Jahrestag des ersten Zeppelinflugs im Jahr 2000, dem 2. Juli, soll es weitgehend fertig sein. Fünf Vorverträge mit potentiellen Käufern hat die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH bereits in der Schublade. Eines der Luftschiffe soll beispielsweise als wissenschaftliche Plattform für die Atmosphärenforschung dienen. Können doch die Messgeräte bei stehendem Triebwerk von Abgasen unbeeinträchtigt arbeiten. Die anderen Schiffe würden hingegen vermutlich für Rundflüge eingesetzt, meint Jürgen Fecher. Für den regulären Flugverkehr sei dieses erste Modell indes einfach zu klein.
Nach der Hindenburg kam lange nichts
Friedrichshafen. Das größte Luftschiff aller Zeiten sollte für lange Zeit das letzte aus dem Hause Zeppelin bleiben. In den 30er-Jahren entwickelt, endete die „Hindenburg“ in einem Flammeninferno. Das war aber nicht der erste Rückschlag für den Luftschiffbau. Noch zu Lebzeiten des Grafen Ferdinand Zeppelin (1838 – 1917) schien die Ära schon einmal zu Ende. Das vierte Modell, an dem die Militärs erstmals Interesse zeigten, stürzte nämlich bei Echterdingen ab. Der Graf war danach pleite.
Eine in der Geschichte wohl einmalige Volksspende brachte ihm jedoch binnen weniger Tage ein Vermögen ein, mit dem er sich gleich mehrere Luftschiffe hätte leisten können. Doch er baute nur eines und rief mit dem übrigen Geld die Zeppelin-Stiftung ins Leben, aus der unzählige Firmen hervorgegangen sind. „Ganz Friedrichshafen ist verzeppelint“, sagt Jürgen Fecher schmunzelnd.
Diese Firmen, von denen die „Luftschiffbau Zeppelin“ nur noch ein Schattendasein fristet, haben 1993 das Tochterunternehmen „Zeppelin Luftschifftechnik GmbH“ gegründet. Hauptgeldgeber ist die Friedrichshafener Zahnradfabrik.
Diesem Firmenprojekt ging aber natürlich eine Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsstudie voraus. Dann erst machten sich die Mitarbeiter an die Entwicklung eines neuen Zeppelins. Mit den früheren Luftschiffen des Grafen haben sie sich allerdings nur im Vorfeld beschäftigt und sie auf Stärken und Schwächen hin analysiert. Im Endeffekt haben sie sich jedoch auf heutiges Know-How verlassen, und daraus ist Zeppelin NT entstanden.
Im Vergleich zu früheren Zeppelins ist der neue fast ein Spielzeug
Der „kleine Bruder“ ist wesentlich kürzer und dünner als seine Vorgänger, verfügt dafür aber über die hochmoderne Technik eines Großflugzeugs
„Man hat mit einem weißen Blatt Papier angefangen“, sagt Jürgen Fecher über die Entwicklung des Zeppelin NT. Mit den Luftschiffen aus der Anfangszeit dieses Jahrhunderts hat er daher nicht mehr viel gemeinsam. Das Kürzel „NT“ steht für Neue Technologie.
Friedrichshafen. Die äußere Form der Luftschiffe Marke Zeppelin ist dieselbe geblieben, aber die inneren Werte haben sich gewandelt. Wer das Cockpit in der Gondel des Zeppelin NT betritt, wähnt sich eher in einem Jumbo als in einem Luftschiff. Flugversuchsleiter Jürgen Fecher: „Das ist ein richtig moderner Arbeitsplatz mit Displays und allem drum und dran.“
Anders ließe sich die Technik des ersten Zeppelins seit den 30er-Jahren auch nicht beherrschen. Die Ingenieure haben ihm beispielsweise eine sogenannte Schub-Vektor- Steuerung mit drei Triebwerken verpasst, die jeweils ein 200 PS starker Motor antreibt. Die beiden seitlich angebrachten Triebwerke im vorderen Bereich lassen sich dabei um 120 Grad verschwenken, wodurch das Luftschiff steigt oder sinkt. Zudem bestimmen sie die Geschwindigkeit. Das hintere Triebwerk mit seinen zwei Propellern steuert hingegen in erster Linie Nicklage und Richtung des Zeppelins vor allem im Langsamflug. Die Propeller bewegen sich dabei parallel zu den Steuerrudern, die ihrerseits bei schnellem Flug über die Richtung entscheiden. Das erleichtert vor allem das Landemanöver ungemein. Musste bei älteren Luftschiffen immer eine ganze Horde des Bodenpersonals hinter dem Seil herrennen und es am Mast festmachen, genügt beim Zeppelin NT gerade mal ein Helfer. Der Pilot kann das neuartige Modell fast alleine zur Landung bringen, während sich herkömmliche Luftschiffe beim langsamen Landeanflug praktisch nicht mehr steuern ließen.
Die Triebwerke, die zudem bei starkem Wind für mehr Sicherheit sorgen, wollten allerdings irgendwo befestigt sein. Deshalb entwickelten die Ingenieure für den Innenraum des Luftschiffes ein dreieckiges Gerüst. Das unterscheidet den Zeppelin NT ganz wesentlich von den viel kleineren Prallluftschiffen, die der Volksmund gewöhnlich als Zeppelin betitelt. Die Prallluftschiffe haben jedoch kein Innengerüst. Allein der Gasdruck hält ihre Form.
Das wiederum ist auch beim Zeppelin NT der Fall. Sein Gerüst hat keine formgebende Funktion wie bei den Luftschiffen des Ferdinand Zeppelin. Der Graf arbeitete einst mit einer riesigen Leichtmetallkonstruktion, deren Raum die Gasblasen beim Start nur zum Teil ausfüllten. Das Gas breitete sich in diesen „Ballonnets“ erst beim Steigen aus.
Das Prallluft–System weist zwar ebenfalls Ballonnets auf sie sind im Unterschied dazu aber mit Luft gefüllt. Steigt das Prallluftschiff, dann weicht die Luft über Ventile aus den Blasen und sorgt damit für Druckausgleich. Ist die Luft komplett draußen, dann hat das Luftschiff seine maximale Höhe erreicht. Beim Zeppelin NT sind das derzeit 2000 Meter. Bei den Serienschiffen sollen es später 2400 Meter sein. Ihre Luftblasen werden zugunsten des Heliums etwas kleiner ausfallen. Und mehr Gas bringt mehr Auftrieb.
Damit der Pilot das alles beherrschen kann, haben ihm die Ingenieure eine vollelektronische Steuerung an die Hand gegeben. Fachleute sprechen hier von einer „Fly By Wire“-Steuerung in Verbindung mit „Power By Wire“. Jürgen Fecher: „Das sind alles Dinge, die bei Großflugzeugen Einzug gehalten haben.“ Die Flügelfläche von 32 Quadratmetern am Heck ist übrigens ebenfalls mit einem Airbus vergleichbar und die 19 Meter Höhe über dem Leitwerk mit einem Jumbo.
Das Volumen von 8200 Kubikmetern, die Länge von 75 Metern und der maximale Durchmesser von 14 Metern fallen für einen Zeppelin indes eher bescheiden aus. War doch das größte Luftschiff dieser Ära 245 Meter lang. „Dagegen ist das beinahe Spielzeug, was wir hier machen“, scherzt Jürgen Fecher.
Um den Atlantik zu überqueren ist der Zeppelin NT daher nicht geeignet. Aber das war auch nicht das Ziel. Vielmehr wollte die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH zunächst im Kleinen beweisen, dass die neue Technik funktioniert. Und sobald die Musterzulassung da ist, wird sich das Unternehmen voraussichtlich größeren Varianten zuwenden. Im Gespräch ist zunächst eine Verdoppelung des Volumens. Mit einem solchen Luftschiff könnten dann wohl 40 Passagiere fliegen.
Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Sulzer Chronik