Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Das „andere Hemd“ zum Erfolg

Veröffentlicht in: Berichte, Wirtschaft

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Holger Zimmermann: Einzigartiges macht Läden attraktiv – und die Stadt auch / Handeln in Horb

 

„Anders zu sein, macht einzigartig – und Einzigartigkeit macht attraktiv“, sagt FD/FWStadtrat Holger Zimmermann. Diesen Grundsatz predigt er als projektorientierter Unternehmensberater. Als Kommunalpolitiker schlägt er vor, für Horb eine Art Leitmotiv zu entwerfen, nach dem die Stadt entwickelt wird – zusammen mit Geschäftsleuten, die davon profitieren sollen.

Horb. Für den Horber Einzelhandel gibt es zwei Zeitrechnungen – eine vor dem Bau der Hochbrücke und eine nach dem Bau der Brücke. Erst, wenn der Verkehr aus der Stadt verbannt ist, können die Geschäfte gedeihen – so meinen viele.

Die Verkehrsbelastung ist eine der Stellschrauben, an denen „die Politik“ drehen kann, stimmt Stadtrat Holger Zimmermann zu – die Kommunalpolitik aber nur in begrenztem Umfang. Maßgeblich gefragt ist der Gemeinderat hingegen bezüglich einer Verkehrsberuhigung abseits der Bundesstraße. Und wer den FD/FW-Vertreter fragt, der bekommt gesagt, dass durch die Innenstadt nicht nur wenig, sondern kein Verkehr fließen sollte. Das „neue Zentrum“, das es in Horb zu schaffen gelte, solle autofrei sein, schlägt Holger Zimmermann vor. „Die Wahrscheinlichkeit des Flanierens“ wachse mit der Attraktivität des Weges zwischen Bahnhofs-Areal und Altstadt.

Ein Bereich wie der Flößerwasen könnte schon heute verkehrsberuhigt werden – andere Stadtquartiere erst nach dem Brückenbau. Wichtig sei, dass der Anlieferverkehr funktioniere und die Bedürfnisse der Anwohner berücksichtigt würden, betont der Stadtrat.

„Irgendwo anfangen“, heißt Holger Zimmermanns Devise. Einfach abzuwarten, bis die Brücke steht, das dürften weder die Kommunalpolitiker noch die Einzelhändler. Und für einen Anfang würden schon zwei Einzelhändler reichen, die mit Handzetteln auf aktuelle Angebote des jeweils anderen aufmerksam machen – oder mit einem verbindenden Transparent über die Straße, wie es das Modegeschäft Schönfeld und „Schuh-Häffner“ vorgemacht haben. Dieses Prinzip könnte Schritt für Schritt auf alle oder wenigstens auf viele Läden ausgedehnt werden.

Wer konzeptionell „irgendwo anfangen“ wolle, sollte wissen, auf welches Ziel die Entwicklung hinführt, sagt der „Projektmensch“ – so heißt übrigens Zimmermanns Beratungs-Firma. Nicht nur der Handel, sondern Horb insgesamt müsse sich positionieren. Der Stadtrat stellt die Frage: „Was ist Horb?“ Die Antwort darauf müsse so bekannt sein wie auf die Frage, was Metzingen sei. Metzingen steht für den Mode-Verkauf von „Boss“ und anderen…

Was er meint, vertieft der Kommunalpolitiker am Beispiel „Öko-City“. Wer in Horb wohne, könne mit dem Mountainbike „direkt ins Grüne“ und per ICE schnell in die Großstadt. Der Begriff „Öko“ stehe heute für verantwortungsvollen Lifestyle – im Sinne eines nachhaltigen Lebens, nach Grundsätzen, die aus der Forstwirtschaft übernommen worden sind.

Zum Öko-Label könnten in Horb beispielsweise Fernseher mit geringem Stromverbrauch passen und ein entsprechend fachkundiger Einzelhändler, der mit der Ware „ein gutes Gewissen verkauft“, wie Zimmermann erläutert. Auch in der Baubranche gebe es ökologische Prinzipien. Alternative Wohnformen, die zum Beispiel mehrere Generationen unter einem Dach vereinen, könnten in einer Öko-City ebenfalls ihren Platz haben.

Ob Öko-City oder etwas anderes – entscheidend ist aus Zimmermanns Sicht, dass ein Ziel festgelegt wird. Das sei gerade jetzt wichtig, wo eine Haushalts-Struktur- Kommission erarbeiten soll, wie 3,7 Millionen Euro pro Jahr gespart oder eingenommen werden können. Wer das Ziel kennt, der weiß, wo er auf keinen Fall kürzen darf.  Das alles würde nach Meinung des FD/FW-Stadtrats aber noch nicht reichen. Er ermuntert zu einem Denken über Machbarkeits- Grenzen hinaus. Der Projekt-Stratege geht erklärtermaßen „blauäugig“ an das Thema Einzelhandel heran. „Doch genau diese Blauäugigkeit kann zu ungewöhnlichen Ansätzen führen, die vielleicht nur auf den ersten Blick nicht funktionieren“, erklärt er. Manchmal werde nur angenommen, dass eine Idee nicht funktioniere, weil es kein anderer so mache. Aber gerade eine Differenzierung müsse zum „Kern einer Strategie“ werden. Ein gewisses Maß an Widerstand sei dabei sogar „wichtig, um zu wirklich passenden Lösungen zu kommen“. Eine Diskussion zu entfachen, das ist ihm am Allerwichtigsten – deshalb hat er vor einem Jahr ein „Projektwiki“ im Internet gestartet. Das Thema: der Horber Handel. Rund 500 Klicks hat er registriert. Statt sich auf der Online-Plattform am Ideen-Austausch zu beteiligen, hätten einige lieber e-Mails geschrieben oder ihn persönlich angesprochen. Holger Zimmermann wünscht sich eine größere Diskussion – in der Hoffnung, dass viele Ideen entwickelt und erprobt werden.

Die Ausgangslage seiner eigenen Überlegungen schildert er – verkürzt wiedergegeben – wie folgt: Ein Horber Einzelhändler habe nicht die Passanten-Massen vor dem Schaufenster, wie ein Händler in der Stuttgarter Königsstraße – die Kunden mit niedrigen Preisen zu locken führe im Wettbewerb mit Großanbietern nicht zum Erfolg, sondern in den Ruin. Zimmermann sagt aus beruflicher Erfahrung, „dass man die Dinge anders machen muss, um besser zu sein“.

So könnte sich ein Horber Hemden-Händler dafür entscheiden, „ein anderes Hemd“ anzubieten. „Gut, dass man in diesem Fall nicht an der Königsstraße sitzt, wo zwar viele aber vielleicht nicht die richtigen Kunden flanieren“, merkt der Stadtrat an. „Wer aber würde nun ein Maßhemd kaufen“, fragt er, um sogleich nach Antworten zu suchen: „Jemand, der Geld hat, kann man unterstellen. Und wenig Zeit. Denn das Nachbestellen, das könnte man stark erleichtern. Ein Anruf beim Händler genügt. Die Einfachheit der Beschaffung als Unterscheidungsmerkmal für eine ganz klar abgegrenzte Zielgruppe. Da Menschen mit viel Geld oft auch wenig Zeit haben, könnte das ein brauchbarer Ansatz sein. Darüber hinaus wäre jemand, der einen ungewöhnlich langen oder breiten Körperbau hat, vielleicht froh, passende Hemden in ansprechender Optik zu finden. Wieder eine abgegrenzte Zielgruppe, klar zu fassen und mit einem echten Nutzen für diese Menschen verbunden. Bleibt nur der Preis, den man zu hoch vermutet. ,Vermutet‘ deshalb, weil es heute dank modernster Fertigungstechnik möglich ist, Maßhemden zu einem Preis zu produzieren, der einem Qualitätshemd von der Stange sehr nahe kommt.“

Mit diesem Beispiel will Holger Zimmermann aufzeigen, dass es im Einzelhandel einer Stadt wie Horb darauf ankomme, „sich auf eine ganz konkrete Gruppe von Nutzern zu konzentrieren, die dann bereit sind, für den Zusatznutzen längere Wege, einen höheren Preis oder eine längere Lieferzeit in Kauf zu nehmen – oder eine andere Hürde zu überwinden“.

Manche Hürden gilt es hingegen abzubauen. So müsse in der Stadtplanung auf Barriere-Freiheit geachtet werden. Auch ein Parkplatz, der 300 Meter von den Geschäften entfernt ist, kann im ländlichen Raum eine Barriere sein. Statt Stellflächen direkt vor den Läden anzubieten, schlägt Holger Zimmermann ein verkehrsgünstig gelegenes Café mit Schließfächern vor, wo Einkäufe zwischengelagert und Verschnaufpausen gemacht werden können. Eine Kurzzeit-Haltestelle vor dem Café würde gewährleisten, dass die Einkäufer am Schluss bequem einladen können.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Freitag

8

Januar 2010

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb