Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Keine Kündigungen mehr

Veröffentlicht in: Arbeitswelt, Berichte

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Der Betriebsrat bei Filter-Volz fordert seine Rechte ein – und verbucht Erfolge

 

Die rund 500 Mitarbeiter von Filter-Volz haben seit dem 23. April einen Betriebsrat – seither gibt es keine Kündigungen mehr. Ein weiterer Erfolg, den die Arbeitnehmervertreter verbucht haben: Alleinerziehende Mütter müssen jetzt nicht mehr schichten.

Horb. „Volz Luftfilter unterstützt Betriebsratswahl.“ Mit dieser Schlagzeile war eine Pressemitteilung des Horber Unternehmens vom 5. November 2009 überschrieben. Weiter hieß es: „Manfred und Rainer Volz sicherten den Beschäftigten eine konstruktive und kooperative Zusammenarbeit zu.“

Der Betriebsratsvorsitzende der Horber Firma Volz, Alex Rossoschanski, vor dem Mietobjekt „Werk 7“. Bild: A. Ellinger

Der Betriebsratsvorsitzende der Horber Firma Volz, Alex Rossoschanski, vor dem Mietobjekt „Werk 7“.
Bild: A. Ellinger

Nachdem die ersten 100 Tage im Amt vergangen sind, hat die SÜDWEST PRESSE sich am Donnerstag mit Betriebsräten getroffen, um mal nachzufragen, wie sich die „konstruktive und kooperative Zusammenarbeit“ entwickelt hat.

Der erste Eindruck: Nachdem das Büro des Betriebsrats an die Firma „Leuco“ vermietet wurde, ist die Mitarbeitervertretung ganz oben angekommen – in der vierten Etage des „Werks 7“. Aber auch dieser Raum ist wohl nur ein Übergangsquartier: Der rund 10 Millionen teure Neubau soll vollends vermietet werden (wir berichteten). Immerhin ahnt der Betriebsrat schon etwas von dem neuerlichen Umzug. Beim letzten Mal waren bereits die Maschinen des angrenzenden Produktionsbereichs abtransportiert, ehe die Arbeitnehmervertreter etwas erfuhren.

Die Kommunikation lässt offenbar insgesamt zu wünschen übrig: Wenn der Betriebsrat Informationen anfordere, dann heiße es oft „geht nicht“ oder „zu aufwändig“, erzählt der Vorsitzende Alex Rossoschanski. Schriftliche Informationen gebe es fast nicht. Bezüglich der Volz‘schen Slowakei-Pläne habe das Gremium nicht mehr als die Pressemitteilung bekommen – und das erst zeitgleich mit der Presse. Die örtlichen Zeitungen seien bisher eine bessere Informationsquelle als die Geschäftsführung, merkt Alex Rossoschanski an.

Und was die Verkaufspläne für das „Werk 6“ im Industriegebiet „Heiligenfeld“ betrifft, so musste sich der Betriebsrat im Internet kundig machen, wo die Halle ausgeschrieben ist. Der Kaufmännische Leiter Thomas Erath habe sich inzwischen für die späte Information entschuldigt, erzählt Alex Rossoschanski. Das ändert aber nichts daran, dass sich die Betriebsräte nicht vorstellen können, wie es weitergehen soll, wenn ein Drittel der Produktionsfläche verkauft und vermietet wird: „Wir haben schon jetzt Platzmangel…“

Die „Phase des gegenseitigen Beschnupperns“, wie Betriebsratsmitglieder den Kontakt zur Firmenleitung umschreiben, nehme kein Ende. „Das wird nicht besser, eher umgekehrt“ – so der Eindruck von Mustafa Ülker. Er gehört zum fünfköpfigen Betriebs-Ausschuss.

Dieses Gremium führt die laufenden Geschäfte des Betriebsrats, der insgesamt sieben Ausschüsse gebildet hat. Die Spezialisierung der Mitglieder soll eine effiziente Arbeit ermöglichen, wie Alex Rossoschanski erklärt. Die Grundausbildung und Fortbildung läuft. Der Betriebsrats-Vorsitzende hat viele Paragrafen des Betriebsverfassungsgesetzes bereits auswendig parat, wie sich im Laufe des Pressegesprächs herausstellt.

Obendrein hat das Gremium inzwischen einen Computer, der leistungsstark genug ist, um PDF-Dateien zu öffnen. Der erste Rechner, den die Geschäftsleitung bereitgestellt hatte, konnte das nicht.

Was vier Monate nach der Betriebsrats-Gründung – seit dieser Woche – ebenfalls klappt: „Anträge auf Mehrarbeit an den Betriebsrat werden in der richtigen Form gestellt.“ Wenn das Gremium nicht zustimme, würden die Überstunden allerdings trotzdem angeordnet, kritisiert der Vorsitzende. Ein Mitarbeiter habe sogar eine Abmahnung bekommen, da er eine Überstunde abgebrochen habe, „weil er nicht mehr konnte“ – obwohl es um eine Überstunde gegangen sei, welcher der Betriebsrat nicht zugestimmt habe.

Als bei der jüngsten Betriebsrats-Sitzung ein Mitglied verhindert war, wurde ein Ersatzmitglied eingeladen – vergeblich. Produktionsleiter Stefan Waschke habe eine Teilnahme unterbunden. Außerdem habe er Aushänge vom „Schwarzen Brett“ des Betriebsrats entfernen lassen. Ein Gruppenleiter bekam demnach die Weisung, ein Papier zu beseitigen, das er zuvor selbst – in seiner Funktion als Betriebsrat – aufgehängt hatte.

Mit Personalleiterin Karin Gauß habe es wiederholt Unstimmigkeiten gegeben, wie Paragrafen des Betriebsverfassungsgesetzes auszulegen seien, berichtet Alex Rossoschanski – etwa in der Frage, was eine „Betriebsänderung“ darstelle. Eine Betriebsänderung ist mit Mitbestimmungsrechten für den Betriebsrat verbunden – angefangen von der Informationspflicht der Geschäftsleitung bis hin zum Interessenausgleich. Alex Rossoschanski: „Wir müssen immer erst auf unsere Rechte hinweisen…“ – und demnächst wohl manche auf juristischem Wege durchsetzen, wie in dem Gespräch durchklingt.

Eine weitere Schwierigkeit: Bis ein Ansprechpartner in der Führungsebene gefunden ist, der sich zuständig erklärt, vergehe teilweise einige Zeit. Der Betriebsrats-Vorsitzende berichtet beispielhaft, wie das läuft: Der Produktionsleiter verweise an die Personalleiterin, sie an einen Gruppenleiter und jener an den Produktionsleiter…

Bezüglich des Urlaubsgeldes meldete sich die Geschäftsführung hingegen von sich aus: Die Mitarbeitervertreter bekamen eine Summe genannt und sollten den Verteilungsschlüssel festlegen. Die Schwierigkeit dabei: Bei Volz gilt kein Tarifvertrag, manche Arbeitsverträge enthalten eine Urlaubsgeld-Garantie, andere nicht. Um den Gleichbehandlungs-Grundsatz einzuhalten, hätten die arbeitsvertraglich garantierten Urlaubsgeld-Ansprüche zur Messlatte gemacht werden müssen. Das ging aber nicht, weil das Unternehmen zu wenig Mittel bereitgestellt hatte, wie der Betriebsrat feststellte. Da er ohnehin nicht dafür zuständig ist, den Verteilungsschlüssel für das Urlaubsgeld festzulegen, hat er die Aufgabe nicht übernommen.

Daraufhin hätten Führungskräfte versucht, einen Keil in die Belegschaft zu treiben, berichtet Mustafa Ülker. So sei fälschlicherweise behauptet worden, der Betriebsrat habe der Auszahlung des Urlaubsgeldes nicht zugestimmt.

Tatsächlich nicht zugestimmt hat das Gremium einer Arbeitszeit-Änderung mit Lohneinbußen für einige Mitarbeiter. Wer den entsprechenden Änderungsvertrag nicht unterschrieben habe, sei dieses Mal unbehelligt geblieben, sagt der Vorsitzende. Zur Erinnerung: In einem ähnlichen Fall vor der Betriebsrats-Gründung mussten sich die Betroffenen ihr Recht noch vor dem Arbeitsgericht erstreiten – unter ihnen Alex Rossoschanski.

Was hat Volz mit dem Standort Horb vor?

Die Arbeitnehmervertreter sind folglich mit ihrer Erfolgsbilanz der ersten 100 Tage zufrieden. Was ihnen hingegen Sorgen bereitet, ist die Arbeit der Geschäftsführung. Ihre Befürchtung: Die Vermietung beziehungsweise der Verkauf von einem Drittel der Produktionsfläche sowie die neue Filter-Fabrik in der Slowakei werden den Standort Horb schwächen, ihn vielleicht sogar unwirtschaftlich machen. Ob das am Unvermögen einiger Führungskräfte liegt oder eher Absicht ist? In dieser Frage ist der Betriebsrat noch zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen.

Die Geschäftsleitung des Filter-Unternehmens schrieb in ihrer Pressemitteilung vom 5. November 2009: „Eine gut funktionierende und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung kann ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein.“ Die Zwischenbilanz des Betriebsrats deutet darauf hin, dass Volz diesen Wettbewerbsvorteil noch nicht vollumfänglich erschließen konnte…

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Samstag

28

August 2010

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb