Für 9 Euro volltanken
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Solarautos als volkswirtschaftliche Stromspeicher
Deger-Traker made in Horb richten Solarmodule nach der Sonne aus. Sie erzeugen nach Hersteller-Angaben 45 Prozent mehr Strom als statische Anlagen – die Kilowattstunde zu 16 Cent: Firmen-Chef Artur Deger kann seinen Elektro-Sportwagen für 9 Euro aufladen. Die Batterie reicht 350 Kilometer weit.
Horb. Der Elektro-Roadster der Marke „Tesla“ ist weniger etwas für klassische „Ökos“ als vielmehr etwas für Motorsport-Freaks. In 3,9 Sekunden beschleunigt der 225-Kilowatt-Bolide von 0 auf 100. „Das ist brachial“, sagt Artur Deger, der ein Elektro-Auto mit möglichst großer Reichweite wollte, aber eine Familienkutsche bevorzugt hätte. Der erste Fünfsitzer von Tesla komme erst 2012 auf den Markt, erzählt er. Und ein Mitsubishi, der von der Reichweite her mithalten konnte, hatte Komfort-Defizite – zum Beispiel kein Radio.
Artur Deger geht es um die Botschaft, dass Elektro-Autos alltagstauglich sind. Um den Sportwagen-Charakter seines Tesla zu minimieren, hat er ihn in unscheinbarem Grau statt im primär angebotenen Ferrari-Rot gekauft. Das ändert aber nichts daran, dass es beim Beschleunigen in der Bauchgegend kribbelt – wie beim Start in einer Passagiermaschine, wobei weder Flugzeug-Lärm noch ein kerniger Sportwagen-Sound zu hören ist. Der Fahrtwind übertönt den Motor meist. Die Autofahrt wird zum Gleitflug, was eine Alpen-Tour mit offenem Verdeck noch reizvoller erscheinen lässt als im Benziner-Cabrio. Und nicht zu vergessen: Der Elektro-Flitzer verursacht keine Abgase, sofern er mit Sonnenenergie betankt wird.
Artur Deger macht das in seiner Garage an einer normalen Haushalts-Steckdose. Die klassische Tankstelle habe im Zeitalter der Elektromobilität ausgedient, erklärt er. „Geladen wird zuhause und am Arbeitsplatz.“ Deger bietet seinen Mitarbeitern schon heute an, ihre Elektro-Fahrzeuge kostenlos zu betanken. Roller sind bisher verbreiteter als Autos. Elektro-Smart und Co. seien zwar vorgestellt worden, aber noch nicht im freien Handel käuflich, sagt Deger.
In seiner Firma, die im vergangenen Jahr ein 300-prozentiges Umsatz-Wachstum zu verzeichnen hatte, wird an elektromobilen Visionen gearbeitet, die vom technischen Aspekt her schon Realität sein könnten. Deger: „Ich glaube, dass wir ohne Energie-Sorgen in die Zukunft gehen können.“
Die Solar-Bäume des Unternehmens, die „Deger-Traker“, eignen sich dafür, den Solarstrom für Autos an Ort und Stelle zu produzieren – auf dem Parkplatz. Aufgrund ihrer Masten-Konstruktion nehmen sie fast keine Fläche weg. Obendrein wirft ihr Solardach einen maximalgroßen Schatten, weil sich die Module nach der Sonne ausrichten. Artur Deger könnte sich entsprechende Lade-Stationen vor Kaufhäusern vorstellen: „Nach einer halben Stunde ist die Batterie zu 80 Prozent voll.“ Die Bezahlung könnte per Münzautomat erfolgen – und das zu Preisen, die nicht einmal an übliche Parkgebühren-Sätze heranreichen.
Um die Elektromobilität zu fördern, könnten in städtischen Parkhäusern zunächst einzelne und dann immer mehr Stellplätze mit Strom-Anschluss eingerichtet werden. Artur Deger merkt an: „Ein Parkhaus voller Elektro-Autos hat ein gigantisches Speichervolumen.“ Wenn tagsüber mit Sonnenstrom die Batterien geladen würden, könne ein Teil davon nachts ins Stromnetz zurückfließen – in der heimischen Garage. Aus technischer Sicht sei dafür nur ein Sensor-Kabel nötig, das den Batterie-Stand des Fahrzeugs und die Netz-Situation erkenne, sagt Simon Hänel, der bei Deger als Vertriebs-Ingenieur arbeitet. Ein Ausbau der Elektromobilität würde den volkswirtschaftlichen Nutzen des Solarstroms folglich erhöhen.
Dasselbe Prinzip rechnet sich im privaten Bereich. Jede Stunde Sonnenstrom, die auf dem Hausdach produziert und im eigenen Haushalt genutzt werden kann, spart mehr Geld als beim Einspeisen ins Netz verdient werden kann. Wenn tagsüber die Waschmaschine läuft und das Elektroauto geladen wird, kann das Auto nachts den Strom für Licht und Fernseher liefern – so die Idee von Artur Deger.
Ein Deger-Traker mit 40 Quadratmetern Sonnenkollektor-Fläche würde durchschnittlich für 90 000 Auto-Kilometer pro Jahr reichen, rechnet der Firmen-Chef vor. Um 18 000 Kilometer im Jahr fahren zu können, würde gar eine 8-Quadratmeter-Ausführung reichen. Investitionskosten: rund 4000 Euro.
Mit dem Durchbruch der Elektromobilität rechnet Deger-Ingenieur Simon Hänel, sobald die Autos und insbesondere die Batterien günstiger werden. Der Strom-Speicher ist die teuerste Komponente der Fahrzeuge – die Reichweite der größte Kostenfaktor in der Modell-Palette. Als Anhaltspunkt: Den Roadster von Tesla gibt es ab 84 000 Euro. Es werde höchste Zeit, dass auch Fahrzeuge der Golf-Klasse erhältlich seien, sagt Artur Deger. Sein Mitarbeiter Simon Hänel geht davon aus, dass sinkende Öko-Strom-Preise und weiter steigende Benzin-Preise die elektromobile Entwicklung automatisch beschleunigen werden – wenn auch nicht ganz so rasant, wie es der Tesla von 0 auf 100 schafft.
Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik