Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Invasion der Störche

Veröffentlicht in: Berichte, Umwelt

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Gewitter trieb über 30 nach Grünmettstetten

In Grünmettstetten bot sich am Sonntagabend ein seltener Anblick. Mehr als 30 Weißstörche bevölkerten die Hausdächer um die Kirche.

Grünmettstetten. „Fast ein Bild aus alten Zeiten“, kommentierte gestern der Geschäftsführer des Mössinger Vogelschutzzentrums (VSZ), Dr. Daniel Schmidt, den ungewöhnlichen Besuch. Denn in Baden-Württemberg ist der Weißstorch längst zu einer Seltenheit geworden. In Ostdeutschland leben und brüten hingegen noch viele Paare. Und die schließen sich im Herbst zu Trupps mit 30 bis 100 Tieren zusammen. Gemeinsam fliegen sie über den Bosporus und Israel oder über Spanien und Gibraltar in ihr Winterquartier nach Ostafrika. Deshalb gilt der Stelzenvogel als Langstreckenpendler.

An Grünmettstetten sind die Störche in den Vorjahren jedoch vorbeigezogen. Denn die Einwohner waren beim Anblick der weißschwarz gefiederten Gesellen überrascht. Zwei seien schon einmal im Dorf zwischengelandet, konnten sich manche erinnern. Aber das sei bereits 20 oder gar 40 Jahre her – da gingen die Aussagen etwas auseinander. Lediglich in umliegenden Dörfern und Gemeinden seien mitunter Jungstörche aufgetaucht, sagte Volkmar Rieber vom Horber Naturschutzbund – zum Beispiel in Empfingen. In Grünmettstetten ist hingegen jahrelang keiner mehr gesehen worden – warum also plötzlich in diesem Jahr?

Aus Sicht von Daniel Schmidt gibt es dafür zwei Erklärungen. Entweder hätten die Tiere Grünmettstetten schlicht als Übernachtungsplatz auserkoren, oder aber die nahende Gewitterfront habe sie vom Weg abgebracht. Bei starken Unwettern würden die Tiere notgedrungen ihren Flug unterbrechen und auf Feldern, Wiesen und Äckern die Nacht verbringen. Wenn irgend möglich blieben sie allerdings auf den Dächern, weil ihnen sonst Füchse gefährlich werden könnten, so Vogelschützer Schmidt.

In Grünmettstetten blieb den Zugvögeln jedoch nichts anderes übrig, als ein ebenerdiges Nachtlager aufzusuchen. Zumindest wenn man den Ermittlungen der Horber Polizei Glauben schenken mag: Die hat die „Landstreicher“ am Montagmorgen auf einer Wiese am Ortseingang von Grünmettstetten und auf einer Wiese neben der Landesstraße 370 auf Höhe der Gaststätte „Seewald“ angetroffen. Kurz nach 6 Uhr hatten die Beamten einen Anruf erhalten, rund 25 Störche seien in der Ortsdurchfahrt gelandet. Verletzte Tiere konnten sie aber nicht feststellen. Und so kam auch die Polizei zum Ermittlungsergebnis: „Offensichtlich hatten die Störche auf ihrem Zug nach Süden auf Grund des starken Gewitters in der Nacht einen Notstopp in Grünmettstetten eingelegt.“ Hinweise ans Polizeirevier sind übrigens nicht nötig…

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

Dienstag

22

August 2000

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb