Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Ein Opel Vectra als fahrende Hifi-Anlage

Veröffentlicht in: Berichte, Technik

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PDFOriginalartikel aus der Südwest Presse Horb als PDF


Lauter als ein Düsenjet beim Start: Vom 3000-Mark-Hobel zur 96.500 Mark teuren Edelkarosse

 

Auf dem Hof des Vöhringers Jörg Schäfer steht ein Auto, dass von außen wie ein Opel Vectra aussieht. In Wirklichkeit ist die Karosserie jedoch nurmehr Hülle einer fahrenden Hifi-Anlage. Die Rücksitzbank ist zwölf Bass-Boxen gewichen und der Kofferraum ist voller Verstärker.

Vöhringen. „In sieben Wochen vom Schrotthaufen zum Auto“ – so schildert Jörg Schäfer den Umbau seines Opels Baujahr 1988. Für 3000 Mark hat er ihn gekauft, ist rund 50 000 Kilometer mit ihm gefahren und hat ihn dann so richtig aufgemotzt. Inzwischen hat der 25Jährige Autoteile-Händler ein Gutachten in der Tasche, nach dem das Gefährt einen Wert von 96.500 Mark hat. Dabei sei es noch gar nicht fertig, betont Jörg Schäfer und fügt gleich hinzu: „So ein Auto ist nie fertig.“

12.500 Watt (willst de mehr?)

Die Leistung dieses Vectra gibt Jörg Schäfer freilich selten in Pferdestärken an. Deren 115 sind schließlich nichts Besonderes. Außergewöhnlich ist vielmehr die Stereo-Anlage, die der TÜV sogar im Fahrzeugschein eingetragen hat. Sie leistet 12.500 Watt – ihr Herzstück sind die Bässe. Deren zwölf sind hinter den Vordersitzen eingebaut. Jeder von ihnen hat einen Durchmesser von 30 Zentimetern. Sechs Verstärker und vier zusätzliche Auto-Batterien versorgen sie aus dem Kofferraum. Ein siebter Verstärker bedient das Klangsystem im vorderen Bereich der Fahrgastzelle. Dazwischen liegen fingerdicke Stromkabel, die an Drahtseile erinnern. Entsprechende Sicherungen schützen Jörg Schäfer im Falle eines Kurzschlusses.

Einen Ohrenschutz hat der Vöhringer unterdessen nicht, obwohl die Anlage bis auf 157 Dezibel kommt. Zum Vergleich: Ein Düsenjet bringe es beim Start auf 135 Dezibel, so Jörg Schäfer. Dabei sagt er über seine Anlage, sie sei noch gar nicht richtig eingelaufen. Wenn sie das erst einmal ist, muss er sich allerdings um seine Windschutzscheibe sorgen. Die flattert nämlich jetzt schon, wenn er voll aufdreht. Und die Fahrertür vibriert derart, dass sich oben ein Sehschlitz ins Wageninnere bildet.

Die hinteren Türen halten hingegen still. Sie sind fest verschraubt und mit Holz ausgekleidet, das insgesamt 25 Zentimeter dick ist. Auch die Decke ist aus Holz. Zudem hat Jörg Schäfer 100 Dosen Bau-Schaum in das Fahrzeug gepumpt. All das soll den Schall optimieren. Jörg Schäfer: „Wenn da einer reinfährt, der hat einen Totalschaden und ich eine Beule.“ Deren Reparatur koste dann aber zwischen 30.000 und 40.000 Mark, weil die gesamte Anlage heraus muss. Und deren Einbauzeit liegt bei rund 500 Stunden.

Die Bässe dieses Opel Vectra entfalten einen derart gewaltigen Druck, dass sie vor kurzem sogar eine Audi-Alarmanlage ausgelöst haben. Das passierte wohlgemerkt, als Jörg Schäfer in etwa 50 Meter Entfernung an dem Fahrzeug vorbeigefahren ist. Selbst die Bässe einer Disko in Neukirch hätten den Dienst verweigert, als sie sich mit dem Schalldruck seiner Anlage vor der Eingangstür konfrontiert sahen, so der Opel-Pilot. Jörg Schäfer: „Da fragt keiner mehr, ob’s lauter geht – da heißt’s, ,der spinnt’ und das passt dann.“

Ein mords Bass – des basst!

„Ohne Musik im Auto“, das wäre für den Vöhringer, „wie wenn einem Alkoholiker das Bier ausgehen würde.“ Er selbst bezeichnet sich daher als „Musik-Freak“. Dennoch hat er diesen gewaltigen Aufwand nicht betrieben, um nur seine eigenen Ohren zu verwöhnen. „Das ist ein Wettbewerbsfahrzeug“ sagt er. Im „Car-Hifi-Bereich“ sei das wie die Formel 1 im Motorsport. Alles über 5000 Watt zählt zur Profi-Klasse bei so genannten SPC-Wettbewerben. Da treffen sich die „Bassisten“, stellen ein Mikrofon vor die Windschutzscheibe und messen Frequenzen bis 80 Mega-Hertz.

Mit seinem Opel steht Jörg Schäfer also nicht alleine da. So erzählt er beispielsweise von einem Chrysler Voyager, der eine Anlage im Wert von 230.000 Mark an Bord hatte. Aber: „Der war nicht einmal doppelt so laut wie meiner.“ Viele der Autos, die noch lauter wummern können als der Vöhringer Vectra, sind oft allerdings nicht mehr fahrtauglich. Jörg Schäfer: „Ich behaupte, dass ich in Baden-Württemberg das lauteste Auto mit Straßenzulassung habe.“

Fernseher in der Mittelkonsole

Der Opel des gelernten Gipsers bietet aber noch mehr. So sitzt in der Mittelkonsole beispielsweise ein Fernseher, an den Jörg Schäfer noch ein DVD-Laufwerk anschließen möchte. Hinter diesem Kürzel verbirgt sich eine Art Video auf CD-Basis. Rolls-Royce-Leder und Porsche-Teppiche vervollständigen das Ambiente.

Rein äußerlich ist der Vectra zehn Zentimeter breiter als das Serienmodell. Hinten ist er um acht bis neun Zentimeter tiefer gelegt. Beim Einfedern beträgt der Abstand zwischen den 215erReifen und dem Schutzblech nurmehr vier Millimeter. Da schaute der TÜV anfangs offenbar etwas skeptisch. Doch Jörg Schäfer meinte nur, es schleife doch nicht und so bekam er die Zulassung. Der Motor ist indes noch ein Originalteil. Dank „Performance-Luftfilter“ und Sportauspuff-Anlage – unter anderem – kann Jörg Schäfer sein Auto im vierten Gang bis zum Anschlag der Tachonadel jagen. Die Spitzengeschwindigkeit liegt etwa bei 230 Kilometern pro Stunde.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Sulzer Chronik

Mittwoch

14

Juni 2000

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Sulz