Punk ist (k)eine Religion
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USK haben die CD „Nobile Quia Optimum“ gemacht
Damme, Micky und Fabi haben Schreiner, Maler sowie Jugend- und Heim-Erzieher gelernt. Der erste wohnt im selbst gebauten Haus, der zweite ist verheiratet und der dritte „wollte noch nie Teil einer Jugend-Bewegung sein“. Wer sie nicht gehört und gesehen hat, würde nicht darauf kommen, dass die drei in einer Punk-Band spielen — bei USK.
Vöhringen. „Mama, das will ich auch mal werden.“ Was mancher Dreikäsehoch sagt, wenn er eine Piloten oder einen Brummi-Fahrer sieht, sprach der achtjährige Damian einst, als er auf dem Sindelfinger Marktplatz zum ersten Mal in seinem Leben Punker sah. Ihre bunten Haare hatten es ihm angetan. „Das ist ideal für Kinder“, sagt USK-Drummer Michael Strauch. Frontmann Damian Knappik hat mit Dreizehn begonnen, sich seinen Wunsch zu erfüllen und ist „ganz tief reingerutscht“.
Wenigstens als Hörer gehörte er zur „Opel-Gang“ der „Toten Hosen“. Zeitweise hat er einen Irokesen-Haarschnitt getragen. „Damme“ war in Vöhringen anfangs der einzige Punk weit und breit — „was auch nicht immer ganz einfach war“, erinnert er sich. Als er ein Mofa hatte fuhr er in Halbtages-Reisen unter anderem nach Freudenstadt. Später reiste er mit dem Daumen-Express nach Köln, Hamburg und Berlin. „Ich hab‘ überall Kontakt und Spaß gehabt.“ Der verging ihm nur, als ein Oi-Skin sich bei einer Berliner Party brüstete, er habe ein Hippie-Auto platt gemacht. Erst später dämmerte Damme, dass er mit dem Auto gekommen war und es im Hinterhof abgestellt hatte. Sein VW Käfer war jenes Hippie-Auto. Das brachte dem Skin handfesten Ärger ein.
Damme sagt: „Ich mag‘ Skinheads nicht.“ Deshalb stört ihn, dass Micky neuerdings mit Glatze rumläuft. Auf Oi-Konzerte — Oi-Skins gelten als unpolitisch — hat er „keinen Bock mehr“. Denn: „Da seh‘ ich nicht, wo ich dran bin“ — ob beispielsweise ein „Tarnkappenbomber“ im Publikum ist. Der USK-Sänger spielt auf Faschos an, die er überhaupt nicht brauchen kann — auch die „rot lackierten“ in der Punk-Szene nicht.
Genau genommen, ist Damme der einzige Punk der Punk-Band. Micky war (äußerlich) einer und ist innerlich einer geblieben. Der Jüngste bei USK kam Anfang der 90er-Jahre zur Szene. Das war seine Reaktion auf die Anschläge, die Rechtsextremisten gegen Ausländer in Mölln und anderswo verübt haben. Die Einstellung gegen Neo-Nazis verbindet die drei Musiker. In einem ihrer alten Texte, die USK 1996 auf der EP „251 Kilogramm Sand im Getriebe“ veröffentlicht haben, heißt es: „Wehr Dich, greif ein, steh nicht dabei, wenn Nazis marschieren mit der Waffe in der Hand. Wehr Dich, greif ein, steh nicht dabei, dann wehr Dich und scheiße auf Ihr Vaterland.“
Der Titel der EP, die bei „Suff und Sudel Records“ erschien, errechnete sich aus dem Körpergewicht der Musiker. Damals zupfte noch Kai Zinell den Bass. Er ist seit 1997 tot. In der Band-Vorstellung steht: “ Kai, liebender und treu sorgender Vater und Ehemann und außerdem USK-Basser, schied auf tragische Weise aus dem Leben. […] Die USKler verspüren bis heute Trauer, Wut und Verzweiflung.“
Obwohl Damme den damaligen „Zensur“-Gitarristen Micky als Basser werben konnte, kam das musikalische Band-Geschäft 1998 zum Erliegen. Als Hochzeits-Kapelle feierte die Combo ihr Comeback auf der Bühne — fast zehn Jahre, nachdem Musiker der Bands „Ingo For Lunch“ und „LeuÄmie“ die Gruppe USK gegründet haben. Eine Punker-Paar wollte keinen Hochzeits-Walzer tanzen und engagierte das Trio. Damme, Micky und Fabian starteten durch. Im Frühjahr 2002 gingen sie ins Studio. In wenigen Wochen soll ihre CD erscheinen. Deren Titel hat Fabian von einer Maggi-Flasche, die ihm beim Frühstück aufgefallen ist: „Nobile Quia Optimum“. Laut seiner Latein sprechenden Lebensgefährten soll so viel heißen wie: „Aus Erfolg gut“. Oder freier übersetzt: „Berühmt-berüchtigt, weil gut.“
Auf dieser Scheibe warten USK mit einer Mischung aus gesellschaftskritischen, spaßigen und selbstironi-schen Texten auf. In „Wilde Horden“ singt Damme beispielsweise: „Wir sind die Wilden Horden, wir plündern und wir morden. Wir waschen uns nie — Anarchie.“ Mit den „Dread- und Spike-Assis“, einer Spezies meist vegan lebender Punks, rechnen sie in „Wurst“ ab: „Leberwurst schmeckt lecker mit Brötchen frisch vom Bäcker. Soja-Wurst schmeckt ekelhaft — ebenso wie Getreidesaft.“ Von unpolitischen Punks sagt Micky: „Das sind fast die Schlimmsten.“ Und Fabian fügt hinzu: „Das sind die, die in den Fußgängerzonen Leute anpöbeln.“ Damme bemerkt: „Heute laufen viel mehr Nieten-Kasper rum. Die eigentlichen Punker sind gepflegter als früher.“ Micky stimmt zu. Für manche gelte: „Hauptsache fertig aussehen.“
Was bedeutet es für einen wie Damme, der seit zehn bis 15 Jahren mehr oder weniger in der Szene ist, Punk zu sein? „Mensch sein, bedeutet Punk sein“, sagt er und straft die Alt-Punks von der Band „Normahl“ lügen, die einst sangen, „Punk ist keine Religion“. Damme: „Jesus ist ein Punker gewesen. Einer, der aus Wasser Wein gemacht hat — ein Party-Mensch.“ Und Micky ergänzt: „Er hat auch geraucht — sonst hätte er nicht übers Wasser gehen können.“ Damme fasst zusammen: „Ich will akzeptiert werden und ich akzeptiere die anderen. Würden sich alle gegenseitig akzeptieren, wäre die Welt in Ordnung.“ Fabian gibt allerdings zu bedenken: „Nichts ist so reaktionär wie Punk-Rock. Da wird alles andere schlecht gemacht.“
Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Sulzer Chronik