Empörung trotz abgewendeter Stilllegung
Veröffentlicht in: Arbeitswelt, Berichte
Die Pleite zog nicht das Aus nach sich – trotzdem herrscht Empörung bei ehemaligen Beschäftigten und der IG Metall. In ihren Augen ging der Start der Gurtweberei Inobelt rechtswidrig über die Bühne.
Ebhausen. Keiner wollte angeblich die insolvente Gurtweberei Schickhardt in Ebhausen (Kreis Calw) weiterführen. Insolvenzverwalter Jürgen Sulz aus Reutlingen hat den Betrieb zum 31. Juli eingestellt – die Produktion lief aber weiter, unter Regie der eigens gegründeten Inobelt GmbH. Sie stellte rund 30 der Leute wieder ein, die Sulz entlassen hatte – zu niedrigeren Bezügen pro Stunde.
Geblieben ist auch Geschäftsführer Hans-Dieter Schirmer. „Nahtlos“ habe der Übergang geklappt, berichtet er. Inobelt ist die Tochter eines Schickhardt-Kunden, der Skylotec GmbH aus Neuwied. Der Geschäftsführer erinnert sich, dass der Investor schon „mehr als vier Wochen“ vor der Betriebs-Einstellung Kontakt aufgenommen hatte.
Welche der ehemals 60 Schickhardt-Leute für Inobelt arbeiten, sollte offenbar nicht per Sozialplan geregelt werden. Insolvenzverwalter Sulz meint, die IG Metall habe durchsetzen wollen, dass Betriebsräte und Gewerkschafts-Mitglieder weiterbeschäftigt werden – und äußert Verständnis dafür, dass sich ein Investor darauf nicht einlassen will.
Die IG Metall wirft dem Insolvenzverwalter Wortbruch vor. Er habe mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich geschlossen und zugesagt, über Anpassungen zu verhandeln, sofern ein Investor gefunden und eine Sanierung erfolge.
Daran habe sich Sulz nicht gehalten, sagt der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Freudenstadt, Reiner Neumeister: „In einer Nacht- und Nebel-Aktion hat er die Firma und die Maschinen, aber nicht die Belegschaft verkauft. So ein hanebüchener Vorgang ist mir in 34 Gewerkschafts-Jahren noch nicht untergekommen.“ Über den Insolvenzverwalter hat sich die IG Metall beim Amtsgericht Tübingen beschwert, was nach Angaben der IG-Metall- Zentrale in Frankfurt nur sehr “ vereinzelt vorkommt“.
Bei der IG Metall hegt man den Verdacht, dass ein „rechtsmissbräuchlicher Betriebsübergang“ vorliegen könnte, mit dem Mitbestimmungsrechte ausgehebelt werden sollten. Neumeister will „mit rechtlichen Mitteln gegen diese Unverschämtheit vorzugehen“.
Sulz betont, dass „selbstverständlich alles korrekt gelaufen“ sei. Was nach dem 31. Juli passierte, darauf habe er keinen Einfluss mehr gehabt, betont der Insolvenzverwalter. Er habe Anfang August lediglich „verschiedene Vermögensteile verkauft“. Ob vor der Betriebs-Einstellung Waren geordert worden sind, die eine Produktion über den Monat Juli hinaus ermöglicht haben? Das will der Rechtsanwalt nicht ausschließen.
Gewerkschafts-Anwalt Martin Eberhardt sieht dagegen Anhaltspunkte dafür, dass die arbeitslosen Schickhardt-Beschäftigten einen Anspruch auf Wiedereinstellung haben könnten. Entsprechende „Geltendmachungen“ haben sie bei Inobelt abgegeben.Was manche der gekündigten Schickhardt-Mitarbeiter zusätzlich getroffen hat: Sie bekamen von der Arbeitsagentur das Stellenangebot einer Leiharbeits-Firma für ihren alten Arbeitsplatz, an dem sie nur 8 EUR Stundenlohn bekommen sollten. Die Betroffenen wurden allerdings nicht mit einer Sperre des Arbeitslosengeldes bestraft, wenn sie die Stelle nicht antraten. Darauf hat sich die IG Metall mit der Arbeitsagentur Nagold verständigt. Die Nagolder hatten das Job-Angebot von der Böblinger Agentur übernommen, ohne etwas von den Hintergründen zu wissen.
Inobelt-Geschäftsführer Schirmer bestreitet, dass er in der Produktion Leiharbeiter beschäftigt oder sucht – lediglich im Bereich der Verwaltung sei das der Fall um Stellen zu besetzen, die während des Insolvenzverfahrens frei wurden.
Andreas Ellinger, Südwest Presse, Wirtschaft