Aktiengeschenk als Strafe
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Eine Vereinbarung zwischen den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken und dem Land lässt Zweifel aufkommen, ob die ENBW-Beteiligung des Landes so lukrativ ist, wie der Ministerpräsident meint.
Ravensburg/Stuttgart. „Zum Anderen sagen wir nichts – da verbrennen wir uns nicht die Finger.“ Das hat die Pressestelle eines Landkreises mitgeteilt, der dem Zweckverband „Oberschwäbische Elektrizitätswerke“ (OEW) angehört. Das „Andere“ betrifft die Frage an den Landrat, ob er mit der „Eilentscheidung“ des OEW-Vorsitzenden Kurt Widmaier einverstanden ist, nach der die OEW jetzt keine ENBW-Aktien veräußern darf, obwohl ein Verkauf bis zu 4,7 Milliarden Euro (vor Steuern) in die Kreiskassen spülen könnte. Eine politische Tretmine? „Ein ganzes Minenfeld“, heißt es von besagter Pressestelle.
Keiner der neun Landräte im OEW-Gebiet wollte eine persönliche Stellungnahme riskieren. . . In ihrem Auftrag meldete sich OEW-Geschäftsführerin Barbara Endriss mit einem Versuch, die Position der jeweiligen Landräte und der Kreistage zu schildern: „Die Vorgehensweise hat sich an Gesetz und Verbandssatzung orientiert. Bisherige Reaktionen aus den Landkreisen waren durchweg positiv.“ Das schrieb sie am 2. Februar.
Tags darauf kritisierten die Kreistags-Fraktionen der Grünen aus allen OEW-Landkreisen, dass Widmaier und Endriss „eigenmächtig die Vereinbarungen unterschrieben“ hätten – zumal „eine Veräußerung von Aktien in einigen der OEW-Kreisen immer wieder erwogen wurde“. So hatte beispielsweise die FDP-Fraktion im Freudenstädter Kreistag wiederholt beantragt, einen Verkauf der ENBW-Anteile zu prüfen, um den Kreis-Haushalt zu entlasten, der finanziell angeschlagene Städte und Gemeinden belastet: Der Kreisumlage-Hebesatz kletterte zuletzt um 5,25 auf 36,5 Prozent. Das Haushalts-Volumen des Landkreises beträgt rund 100 Millionen Euro – 170 Millionen Euro (vor Steuern) aus Aktien-Verkäufen kämen einer Generalsanierung gleich.
Die Diskussion über das Für und Wider eines Aktien-Verkaufs können sich die Kreistage im OEW-Gebiet sparen. „Aufgrund der Sachlage musste der Verbandsvorsitzende in Absprache mit seinen Stellvertretern eine Eilentscheidung treffen“, so die OEW-Geschäftsführerin. „Der Vertrag zwischen Land und EdF wäre nicht zustande gekommen, wenn wir den Verzicht auf unser Vorkaufsrecht aus der Aktionärsvereinbarung nicht vorher, also am 5. Dezember, unterschrieben hätten. Außerdem haben wir auf den Verkauf von Aktien verzichtet“ – ohne die Zweckverbandsversammlung am 6. Dezember darüber abstimmen zu lassen.
Ohne den Landtag abstimmen zu lassen, hat die Landesregierung am 6. Dezember den 4,7 Milliarden Euro schweren Kauf-Vertrag mit dem französischen Stromkonzern EdF unterschrieben. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) berief sich auf „Eilbedürftigkeit im Sinne des Artikels 81 der Landesverfassung“. Diese Vorgehensweise hält der Staatsrechtler Joachim Wieland für verfassungswidrig. Unter anderem auf seine Expertise stützen sich SPD und „Grüne“, die gegen Mappus klagen wollen.
Was Wieland zu den Abläufen in der OEW sagt? „Nach meiner Beurteilung lagen die Voraussetzungen für eine Eilentscheidung nicht vor. Aus der Sicht der OEW war keine solche Eile geboten, dass nicht die Verbandsversammlung am 6. Dezember für eine so weitreichende Entscheidung hätte abgewartet werden können und müssen.“ Die Landesregierung sei gegenüber den Kommunen im OEW-Zweckverband zur „Rücksichtnahme auf deren satzungsgemäße demokratische Willensbildung verpflichtet“. Warum die Landesregierung nicht einen Tag auf den OEW-Entscheid warten wollte, dazu äußert sich das Staatsministerium auf Anfrage nicht.
Ohne den Verkaufs-Ausschluss der OEW hätte es der Landesregierung aus aktienrechtlichen Gründen passieren können, dass ihre eigens gegründete Neckarpri GmbH weitere 4,7 Milliarden Euro auf Pump investieren muss. Dabei sollen sich die 4,7 Milliarden für das EdF-Paket laut Ministerpräsident Mappus lohnen: „Selbst im ungünstigsten Fall wird die ENBW nach unserem Einstieg immer eine Dividende zahlen, die in Summe über unseren Refinanzierungskosten liegt.“ In einer Neckarpri-Modellrechnung steht einer Gewinn-Ausschüttung von rund 210 Millionen Euro ein Zinsaufwand von bis zu 143 Millionen Euro gegenüber.
Demnach wäre für das Land auch die Übernahme der ENBW-Aktien der OEW gewinnträchtig gewesen. Das wollte die Regierung aber verhindern: Ihr reichte der OEW-Verkaufs-Verzicht vom 5. Dezember nicht. Am 20. Dezember ließ sich die OEW-Führung auf eine Depotsperrvereinbarung ein. Der Verwaltungsrat mit sieben CDU- und zwei parteilosen Landräten habe das empfohlen. Die Vereinbarung regelt, dass die OEW-Depotbank keine ihrer ENBW-Aktien herausgeben darf, ohne dass die Morgan-Stanley-Bank zustimmt, die im Landesauftrag arbeitet. Sollte die OEW trotzdem Aktien an das Land verkaufen, müsste sie eine Vertragsstrafe in Höhe des Verkaufspreises zahlen. Die Aktien würden also verschenkt.
Andreas Ellinger, Südwest Presse, Südwestumschau