Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Diakon: „Das geht so nicht!“

Veröffentlicht in: Berichte, Soziales

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Obdachlosen-Baracke ist laut Verwaltung rechtlich okay – menschlich sehe das vielleicht anders aus . . .

 

Während der herzkranke Rentner Alfons Glatthaar seine zweite Nacht im Horber Obdachlosen-Haus friert, strebt die Stadtverwaltung eine Vereinbarung mit dem Sozialamt Freudenstadt an. Der Mann soll in der ehemaligen Asylbewerber-Unterkunft in Dettingen untergebracht werden. Ob und wann das gelingt, ist offen. Der politisch Verantwortliche für die Zustände in der städtischen Baracke am Marktplatz scheint Bürgermeister Hans Jürgen Pütsch zu sein. Er sah sich gestern den ganzen Tag über nicht in der Lage, die Anfrage der SÜDWEST PRESSE zu beantworten.

Horb. Was sagt Oberbürgermeister Michael Theurer zu der barackenartigen Unterbringung der Horber Obdachlosen am „Marktplatz 20“, über welche die SÜDWEST PRESSE in der gestrigen Ausgabe berichtet hat? Seine Antwort: „Das ist nicht mein direkter Verantwortungsbereich. Da ist Kollege Pütsch zuständig. Ich habe schon vor mehreren Monaten darum gebeten, ein Konzept für die Unterbringung der Obdachlosen zu entwerfen. Meine Idee war es, dafür eine ehemalige Asylbewerber-Unterkunft zu nutzen, die in besserem Zustand ist. Mehr als beauftragen und nachfragen kann ich nicht.“

Die Anfrage bei Bürgermeister Hans Jürgen Pütsch endete bei seiner Sekretärin. Obwohl sie auf die Dringlichkeit hingewiesen worden war, meldete sich Pütsch den ganzen Tag über nicht. Auf die Rückmeldung hin, dass der Bürgermeister nicht antworte, beauftragte OB Theurer den Fachbereichsleiter für „Recht und Ordnung“ eine Presse-Erklärung abzugeben. Der Nachteil: Wolfgang Kronenbitter ist Verwaltungs-Vertreter und kann im Gegensatz zum Bürgermeister nicht politisch Stellung beziehen.

Kronenbitter schilderte die Rechtslage: Die Städte seien aufgefordert, Obdachlosen einen „hinreichend großen Raum“ zu geben, der „Schutz vor Witterungseinflüssen“ biete, „beheizbar“ sei, „eine Wasch-Möglichkeit und ein WC“ sowie eine „einfache Kochstelle“ habe und eine „notdürftige Möblierung“ aufweise.

Ähnlich wie OB Theurer erklärte Kronenbitter, dass die Stadt kein Interesse daran habe, dass sich ein Obdachloser in der Not-Unterkunft so wohl fühlt, dass er länger bleibt. Und das passiere, wenn „eine Wohnung in dem Sinne“ geboten werde.

Ob Kronenbitter der Meinung ist, dass das städtische Haus am Marktplatz als Obdachlosen-Unterkunft ausreicht? „Vom Rechtlichen Gesichtspunkt her ist das ausreichend“, sagte er. „Wenn ich das menschlich beantworten müsste, sieht das vielleicht anders aus…“

Wolfgang Kronenbitter teilte mit, dass die Verwaltung überlege, Alfons Glatthaar in einem städtischen Haus in Dettingen unterzubringen – falls das Sozialamt für die Kosten aufkomme. Die Wohnung ist größer als die 45 Quadratmeter, welche die Landkreis-Behörde dem Mann maximal zugesteht. Kronenbitter betont: Die Stadtverwaltung versuche das nur, weil Glatthaar krank sei – nicht der Zustände im Obdachlosen-Haus wegen. Das heißt: Der nächste gesunde Obdachlose kommt wieder hinein – falls Glatthaar überhaupt herauskommt.

Der kranke Rentner hat die Wohnungssuche fortgesetzt – mit fünf Euro Guthaben auf dem Handy. Eine SÜDWEST PRESSE-Leserin hatte ihm zwei Wohnungs-Tipps gegeben.

Auch Diakon Klaus Konrad hat sich gestern für den Obdachlosen eingesetzt. Die Kirche habe momentan leider keine Wohnung frei, bedauerte er nach einem Gespräch mit dem Spitalstiftungs-Direktor. Die Zustände im Obdachlosen-Haus haben den Diakon entsetzt. Konrad kündigte an, er werde den OB anrufen: „Das geht nämlich so nicht!“

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

 

Siehe auch:

Muss dieser Mann ab Mittwoch obdachlos sein? (24.02.2007)

Die Ärmsten sind in Horb arm dran (01.03.2007)

Keine Perspektive für OBdachlosen Rentner (03.03.2007)

Obdachloser Rentner liegt im Krankenhaus (05.03.2007)

Ein Zimmer für Alfons Glatthaar (08.03.2007)

 

Freitag

2

März 2007

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb