Andreas Ellinger

JOURNALISMUS IN WORT UND BILD

Ein Zimmer für Alfons Glatthaar

Veröffentlicht in: Berichte, Soziales

Print Friendly, PDF & Email

Diakon Klaus Konrad bewahrte Rentner vor der Rückkehr in die Obdachlosen-Baracke

 

Heute hätte der herzkranke Rentner Alfons Glatthaar vom Hospital in die städtische Obdachlosen-Baracke am Marktplatz zurückkehren müssen – wäre nicht Diakon Klaus Konrad gewesen, der dem 66-Jährigen ein Zimmer organisiert hat. Bürgermeister Hans Jürgen Pütsch teilte mit, das Obdachlose ab morgen das ehemalige Asylbewerberheim in Dettingen beziehen können.

Horb. Dem Einsatz von Diakon Klaus Konrad ist es zu verdanken, dass Alfons Glatthaar – für eine unbefristete Übergangszeit – ein Zimmer der katholischen Spitalstiftung an der Sommerhalde beziehen kann. Konrad hat seit Samstag mit Vermietern verhandelt und Wohnungen besichtigt. Sein Dank gilt allen, die ihm geholfen haben, eine Bleibe für Alfons Glatthaar zu finden. Der herzkranke Rentner war nach einer Zwangsräumung „wegen Eigenbedarfs“ obdachlos geworden. Nach einer halben Woche in der baufälligen, verdreckten und teilweise schimmeligen Not-Unterkunft der Stadt Horb war er so krank, dass er ins Krankenhaus musste (wir berichteten). Konrad ließ nichts unversucht, um für den alten Mann eine Wohnung zu finden. Sie musste klein und billig genug sein, damit Glatthaar sie sich von seiner 575-Euro-Rente und mit der Maximal-Unterstützung des Freudenstädter Sozialamts (gut 100 Euro) leisten kann. Mindestens ein Vermieter hatte nach Konrads Eindruck Angst, seine Miete nicht zu bekommen – obwohl Alfons Glatthaar bisher keinen Cent Mietschulden hatte.

Angesichts des mangelnden Angebots von günstigen Ein- und Zwei Zimmer-Wohnungen auf dem Horber Wohnungsmarkt, verlegte sich der Diakon darauf, renovierungsbedürftige Zimmer anzuschauen. Er war schon dabei, einen Rentner-Trupp für eine Sanierung zusammenzustellen, als sich innerhalb der katholischen Kirche eine Lösung des Wohnungsproblems abzeichnete.

Nachdem Alfons Glatthaar ins Krankenhaus gekommen war, hatte der Diakon nochmal Spitalstiftungs- Direktor Silberzahn angesprochen: „Peter, da müssen wir was machen!“ Und Silberzahn fiel ein Zimmer-Appartement ein, das kürzlich von einem Studenten geräumt worden war und aufgrund von „feuchten Ecken“ nicht mehr vermietet werden sollte. Nach einer Besichtigung hielt Klaus Konrad den Raum für geeignet. „Ich würde da auch einziehen“, sagte er. Die Schäden durch die Feuchte, die aus der Berg-Lage des Hauses resultieren, könnten auf die Schnelle behoben werden. Ansonsten sei die Wohnung erst vor wenigen Jahren modernisiert worden – Dusche und Waschbecken seien so gut wie neu, sagte der Diakon. Eine Kochnische und ein Parkettboden komplettieren die Ausstattung.

Alfons Glatthaar hat sich den Raum gestern angesehen und den Miet-Vertrag sofort unterschrieben. Der Hausmeister machte die Wohnung bis heute bezugsfertig. Im Nachbarhaus der Spitalstiftung kann der Rentner die Waschküche nutzen, die Caritas beschaffte einen Kleiderschrank und die Spitalstiftung ein Bett, weil Glatthaars Doppelbett nicht in die 20-Quadratmeter- Wohnung passt. Die Miete ist so niedrig, dass sie der ehemalige Altheimer von seiner Rente bezahlen kann. Das heißt, er ist nicht nur der Obdachlosigkeit entkommen, sondern auch wieder unabhängig vom Sozialamt. Der Diakon hat die Kreisbehörde aber noch dazu bewegt, den Umzug in das Zimmer zu übernehmen. Klaus Konrad betonte: „Zu wünschen wäre es natürlich nach wie vor, wenn Alfons Glatthaar noch eine größere Wohnung fände.“

In der Bevölkerung ist der Rentner in den vergangenen Tagen auf Ablehnung und Unterstützung gestoßen. Einen 20-Euro-Schein zog er genauso aus dem Briefkasten der Obdachlosen-Baracke am Marktplatz wie eine anonyme Schmäh-Postkarte. Im Krankenhaus bekam er von einer Horberin Kleider geschenkt – der Mann war einerseits gerührt und andererseits psychisch am Ende. „Ich könnte immer heulen“, erzählte er am Dienstag, einen Tag nach seinem 66. Geburtstag –und brach mehrmals in Tränen aus.

Klaus Konrad sagte: „Herr Glatthaar ist kein Typ für die Obdachlosigkeit. Er war immer fleißig beziehungsweise berufstätig. Aufgrund seiner Lage ist er psychisch ziemlich angeschlagen. Er hat wohl niemals geglaubt, dass ihm so etwas passiert. Aber ich denke, dass so genannte ,Kleine Leute‘ durchaus in solche oder ähnliche Situationen kommen können.“ Es kämen immer mehr Menschen mit ähnlichen Problemen wie Alfons Glatthaar zu ihm, die nach Hilfe suchen, berichtete der Diakon: „Ich hoffe, dass es jetzt mit ihm wieder aufwärts geht.“

Am Dienstag hat der Südwestrundfunk über die Horber Obdachlosen-Unterkunft und Alfons Glatthaar berichtet. Konrad, der sich das städtische Haus am Marktplatz angeschaut hat, bezeichnete die Wohnverhältnisse im SWR 4-Interview als menschenunwürdig. Auf den öffentlichen Druck hin hat sich Bürgermeister Hans Jürgen Pütsch um Alternativen bemüht. Ab Freitag seien zwei Wohnungen mit je drei Zimmern in der ehemaligen Asylbewerber-Unterkunft Dettingen so weit hergerichtet, das Obdachlose einziehen könnten. Eine Person, die Ende März obdachlos zu werden drohe, werden von der Stadtverwaltung bei der Wohnungssuche unterstützt. Falls in Dettingen mal alle Zimmer belegt sein sollten, werden Obdachlose wieder in das Haus am „Marktplatz 20“ eingewiesen.

Andreas Ellinger, Südwest Presse Horb, Horber Chronik

 

Siehe auch:

Muss dieser Mann ab Mittwoch obdachlos sein? (24.02.2007)

Die Ärmsten sind in Horb arm dran (01.03.2007)

Diakon: „Das geht so nicht!“ (02.03.2007)

Keine Perspektive für OBdachlosen Rentner (03.03.2007)

Obdachloser Rentner liegt im Krankenhaus (05.03.2007)

Donnerstag

8

März 2007

Publikation:
Südwest Presse

 

Ressort:
Horb